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Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)

Titel: Jung im Kopf: Erstaunliche Einsichten der Gehirnforschung in das Älterwerden (German Edition)
Autoren: Martin Korte
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Gehirn eine ähnlich gute Pflege angedeihen zu lassen wie Ihrer Haut. Im 9. Kapitel »Rezepte für eine alternde Gesellschaft – ein Plädoyer« will ich Entscheidungsträgern Fakten an die Hand geben, was sich ändern muss, damit wir alten Menschen eine Chance geben, ihr Potenzial – für sich und (!) für die Gesellschaft – zu nutzen. Das Kapitel ist als Denkanstoß gedacht, ein Plädoyer für eine neue Sichtweise des kognitiven Alterns, welche für jedes alternde Individuum, aber auch gesellschaftlich und institutionell bedeutsam ist.
    Aber nicht allein die Wissenschaft erkundet, was im Alter möglich ist. Dies geschieht vor allem durch ältere Menschen selbst, die mit neuen, innovativen Ansätzen und Handlungen ihre Leistungsgrenzen austesten.

KAPITEL 1
    Das bewegte Gehirn der 50plus-Generation
    Das Alter
    Das Alter ist ein höflich’ Mann:
Einmal über’s andre klopft er an;
Aber nun sagt niemand: »Herein!«
Und vor der Türe will er nicht sein.
Da klinkt er auf, tritt ein so schnell,
Und nun heißt’s, er sei ein grober Gesell.
    Johann Wolfgang von Goethe
    Das Janusgesicht des Alters
    Altern ist oft ein Synonym für Verfall, Abstieg, Vergesslichkeit, Starrköpfigkeit. Gleichzeitig werden alte Menschen als umsichtig, weise und mit einem großen Wissensschatz gesegnet gepriesen. Kulturen unterscheiden sich in ihrem Ansehen für ältere Menschen ebenso, wie einzelne Menschen das Altern unterschiedlich für sich und bei anderen beurteilen. Und richtig: Die Gehirne der 50plus- und 60plus-Menschen scheinen alles in allem zwiespältige Geschöpfe zu sein. Sie lernen langsamer, vergessen schneller, sind leichter ablenkbar und mitunter beharrlich resistent gegenüber Neuem. Doch wir sehen auch, wie enorm leistungsfähig sie sein können: 50plus-Gehirne leiten Unternehmen, Banken, ganze Länder, sind imstande, hochkomplexe Maschinen zu bedienen, und steuern sicher durch die digitalen Welten. Zu Hause müssen dieselben Gehirne mit Teenagern umgehen, die, wenn sie überhaupt kommunizieren, eine gänzlich andere Sprache sprechen. Sie müssen Rechnungen bezahlen, ihr Privatleben organisieren und den Streit mit dem Nachbarn geschickt beilegen – und das alles vor dem Hintergrund, dass diese Gehirne manchmal schon auf dem Weg zur Arbeit vergessen, was sie zum Frühstück gegessen haben oder wie der Name des neuen Kollegen lautet.
    Diese in der Tat vorhandenen Widersprüche des Alterns – eine enorme Leistungsfähigkeit einerseits, Defizite andererseits – nehmen wir häufig gar nicht wahr. Die klassische Lebenstreppe (Abb. 1) beschreibt dies so: Ab einem bestimmten Alter geht es abwärts – und was für eine Reihe körperlicher wie kognitiver Tätigkeiten auch stimmt, wird verallgemeinert für den ganzen Menschen. Einige offensichtliche Altersschwächen ziehen alle anderen Fähigkeiten in der Wahrnehmung und Selbsteinschätzung vieler Menschen mit hinunter ins Tal der Vergänglichkeit.

    Abbildung 1: Lebenstreppe
    Diese Darstellung einer Lebenstreppe aus dem 19. Jahrhundert beschreibt den Aufstieg und Niedergang menschlicher Fähigkeiten als unausweichliche Folge des menschlichen Alterns.
    Das Alter zeigt aber kein einfaches Janusgesicht, es ist ein multivariates, vielgestaltiges Geschöpf mit zahlreichen Facetten. Anders als die ab einem bestimmten Punkt abwärts gerichtete Lebenstreppe vermuten lässt, gleicht es eher einer komplexen Gebirgslandschaft mit Tälern, Abstiegen und Gefällen, aber auch Gipfeln und neuen Höhen, wie jüngste wissenschaftliche Studien belegen.
    So zeigen große interdisziplinäre Studien, dass Gedächtnis, Intelligenz und kognitive Fähigkeiten sich im Laufe der Lebensjahre verändern, allerdings keineswegs einheitlich. Das Gehirn ist gekennzeichnet durch eine hohe Formbarkeit (Plastizität), eine hohe Variabilität in der Leistungsfähigkeit und einem hohen Maß an biologisch/genetischer Individualität. Deshalb altern Menschen nicht nur unterschiedlich (inter-individuelle Variabilität), sondern auch die einzelnen Fähigkeiten, die eine Person besitzt, verändern sich in unterschiedlicher Weise: So nehmen mit zunehmendem Alter Präzision und Geschwindigkeit, mit der wir Wahrnehmungs- und Denkaufgaben lösen, ab, während Fähigkeiten, die auf Wissen und Lebenserfahrung beruhen, bis in späte Lebensphasen hinein erhalten bleiben – und manchmal sogar noch besser werden.
    Wissenschaftler erklären das mit den organischen und biochemischen Veränderungen im Gehirn. Die Lebensjahre
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