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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman
Autoren: Andreas Franz
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Frankfurt, zu irgendeiner Zeit. Wenn niemand damit rechnete. Er gab Gas, um die Ampel noch bei Gelb passieren zu können. Dann wieder ein Stau. Vor einigen Wochen war die Verkehrsführung geändert worden, angeblich, um den Anwohnern des Viertels mehr Ruhe und weniger Abgase zu bescheren. Dabei wollten die Anwohner die Verkehrsänderung gar nicht, sie waren nicht einmal gefragt worden. Seit der Umstellung Stau über Stau, manchmal bis in den späten Abend hinein. Berger fluchte still vor sich hin. Er stellte das Radio an, laute, hämmernde, nervtötende Musik, er schaltete gleich wieder ab. Dies war nicht mehr seine Musik. Zum Zerreißen gespannte Nerven, er fühlte sich ausgehöhlt und hatte doch das Gefühl, innerlich gleich zu zerplatzen. Wie so oft, wenn er vom Friedhof kam. Am einundzwanzigsten September jährte es sich zum zweiten Mal. Sie hatte den Kleinen vom Kindergarten abgeholt. Der übliche Heimweg über die Ausfallstraße, weil dies trotz des Umwegs Zeit sparte. Die Ampel, die sie schon Hunderte oder gar Tausende Male passiert hatte, die gerade auf Grün umsprang, der Lkw-Fahrer, der von der anderen Seite noch bei Rot über die Kreuzung donnern wollte. Mutter und Kind auf der Stelle tot, zermalmt von einem Dreißigtonner, den ein betrunkener Lkw-Fahrer steuerte. Als Strafe Führerscheinentzug für zwei Jahre, sechs Monate Gefängnis auf Bewährung. Ein junger Mann, dem man, so der Richter, mit einem übertriebenen Strafmaß nicht die Zukunft verbauen wollte. Ein junger Mann mit Frau und zwei kleinen Kindern. Von den Toten sprach kaum noch einer. Die ersten zwei Wochen waren die Hölle - Weinen, Jammern, Nichtverstehen, Zweifeln, Hadern, Beten und doch Gott verfluchen. Warum ausgerechnet sie, und warum spielte ihm das Schicksal so mit?! Weder sie noch sein Sohn hatten je einer Menschenseele ein Leid zugefügt. Ihre Ehe war musterhaft gewesen. Und es war so verdammt ungerecht, daß sie auf diese Weise beendet wurde. Er dachte an Selbstmord, dann an Rache. Aber er war zu feige für Selbstmord, außerdem trug er die Verantwortung für Andrea. Rache? Rache! Die Schuld des Täters durfte nicht ungesühnt bleiben. Immer und immer wieder putzte Berger seine Pistole, entsicherte sie, zielte auf einen imaginären Punkt, an dem er sich den Mörder seiner Familie vorstellte. Aber wieder war Andrea der Grund, daß er doch keine Rache übte. Sie war fünfzehn und brauchte noch einen Vater. Aber etwas in ihm war zerbrochen. Er, der so oft in seinem Leben mit dem Tod konfrontiert worden war, drohte daran kaputtzugehen. Er konnte nicht mehr lachen, selbst wenn er sich bemühte. Höchstens oberflächlich, nicht aus dem Herzen. Er war öfter, als ihm guttat, betrunken. Und bisweilen hart und ungerecht gegenüber Freunden und Kollegen. Schließlich stürzte er sich in Arbeit, um zu vergessen. Aber noch immer trank er zuviel, war oft unmäßig in seinen Eßgewohnheiten, hatte über zwanzig Kilo zugenommen. Eine Viertelstunde nachdem er vom Friedhof weggefahren war, langte er zu Hause an. Kein Lichtschein hinter den Fenstern. Er parkte das Auto vor der Garage, stieg aus und ging ins Haus. Die Luft abgestanden, kalter, unsichtbarer Rauch. Andrea rauchte seit einem halben Jahr, er duldete es. Sie ließ sich keine Vorschriften mehr machen. Auf dem Herd ein schmutziger Topf mit dem angebrannten Rest eines Spaghetti-Fertiggerichts. Zwei Teller unge spült im Spülbecken. Krümel auf Tisch und Boden, zwei benutzte Gläser, eine leere Flasche Rotwein. Mit wem hatte sie hier gegessen und getrunken? Er zuckte nur mit den Schultern, stellte die Flasche weg und setzte sich. Den Kopf auf die Arme gestützt, schloß er für einen Moment die Augen. Er hatte Hunger, aber keinen Appetit. Nur eine Kleinigkeit essen, etwas fernsehen, ein großes Glas Cognac trinken, eine Pfeife rauchen. Und vielleicht wie so oft im Sessel einschlafen.
Auf dem Telefontisch im Flur eine kurze Notiz von Andrea. Sie war wieder einmal bei ihrer Freundin, wollte dort übernachten. Zumindest wußte er, wo sie war, er kannte diese Freundin, ein nettes, aufrichtiges Mädchen. Er glaubte auch nicht, daß Andrea in schlechte Gesellschaft geriet, sie hatte einen gesunden Menschenverstand - und einen Dickkopf. Sie würde ihren Weg machen. Noch zwei Jahre bis zum Abitur, danach Studium der Psychologie. Dann, so ihr Wunsch, zur Polizei. Wie er. Ab morgen würde der Polizeiapparat auf Hochtouren laufen. Julia Durant, eine ihm wärmstens empfohlene Polizistin, würde ihnen
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