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Jung, blond, tot: Roman

Jung, blond, tot: Roman

Titel: Jung, blond, tot: Roman
Autoren: Andreas Franz
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auch seine Kräfte aufgebraucht sein, sein Reservoir erschöpft, irgendwann war er nicht mehr fähig, ihre Eskapaden zu ertragen. Es gab Tage, da hätte er sie umbringen können, wenn sie wie ein billiges Straßenmädchen heimkehrte, beschwipst vom Alkohol, durchgefickt von irgendeinem geilen Schwanz - und scheinbar glücklich. Er hoffte, sie schlafend vorzufinden, gehüllt in nichts als ein unscheinbares Baumwollnachthemd, das Gesicht von einer dicken Schicht fettiger Nachtcreme bedeckt, vielleicht sogar Wickler in den Haaren. Dann wüßte er, sie gehörte nur ihm. Eine halbe Stunde nach Mitternacht war er zu Hause. Schaltete das Licht aus, dann den Motor. Öffnete leise die Tür, versuchte, sie genauso leise auch wieder zu schließen. Das lauteste Geräusch war das Einrasten des Türschlosses beim Drehen des Schlüssels. Im Haus der kalte Geruch von Gebratenem. Er streifte die Schuhe in der engen Diele ab, hängte seine Jacke an die Garderobe. Schlich auf Zehenspitzen die Treppe hinauf, wenn sie schlief, wollte er sie nicht wecken, die Schlafzimmertür stand einen Spalt offen, der schwere Duft ihres Parfüms hing noch in der Luft. Ihr Bett war unberührt. Er warf einen Blick ins Kinderzimmer, Julian schlief. So geräuschlos er nach oben gegangen war, so leise begab er sich wieder hinunter, betrat die Küche und schloß die Tür hinter sich. Das für ihn bestimmte Schnitzel lag in der Bratpfanne, eine Glashaube darüber, zwei Butterbrote, eine aufgeschnittene Tomate, ein paar Gurkenscheiben unter Klarsichtfolie. Eine Flasche Bier im Kühlschrank. Bis vor kurzem hatte sie ihm wenigstens noch einen Zettel geschrieben. Er aß langsam, ließ den Tag Revue passieren, verscheuchte die Gedanken an sie.
Es hatte einmal eine Zeit gegeben, da war er rast- und ziellos durch die Stadt gefahren in der Hoffnung, sie irgendwo aufzugabeln, wie eine läufige Hündin, die nicht mehr nach Hause fand. Er hatte sie nicht ein einziges Mal gefunden.
Und jetzt, nach vierzehn Stunden Knochenmühle, war er wieder einmal allein. Nichts in seinem elenden Leben stimmte. Er ließ das Brot sinken, weinte. Ließ den Teller stehen, nahm die Flasche Bier, trank sie in einem Zug leer, schenkte sich im Wohnzimmer noch ein großes Glas Jack Daniels ein, der in seinem Magen brannte. Um ein Uhr ging er ins Bad, entleerte seine Blase, wusch Gesicht und Hände, putzte sich die Zähne. Tiefe Ringe unter den Augen, die vielen Überstunden der vergangenen zwei Wochen hatten Spuren hinterlassen. In ihm vibrierte es, wie immer, wenn sein Körper zur Ruhe kam. Sechs, maximal sieben Stunden Schlaf. Die Schlafzimmertür knarrte beim Aufmachen. Er schaltete die kleine Nachttischlampe mit der 12-Watt-Birne neben seinem Bett an, die gerade genug Licht spendete, damit er nicht an den Schrank oder das Bett stieß. Zog sich aus, legte seine Sachen fein säuberlich zusammengelegt auf den Stuhl. Die Matratze ächzte, als er sich hinsetzte. Er legte sich auf den Rücken, die Hände über der Brust gefaltet, und starrte an die Decke. Wünschte sich, die Haustür würde aufgehen und sie hereinkommen und er ihr ansehen können, daß in dieser Nacht nichts geschehen war. Sie kam nicht.

Freitag, 17. September, 8.30 Uhr
    Er fühlte sich miserabel. Gerädert, wie nach einer durchzechten Nacht. Schulz duschte abwechselnd kalt und warm; allmählich kehrte das Leben in seinen Körper zurück. Er trocknete sich ab, durch die geschlossene Badezimmertür hörte er Joanna in der Küche hantieren. Er rasierte sich naß, ein kleiner Pickel am Kinn brach auf, winzige Blutstropfen rollten aus der kaum sichtbaren Wunde. Er riß ein kleines Stück Toilettenpapier ab, klebte es auf die Wunde und wartete einen Moment, bis die Blutung zum Stillstand kam. Dann kleidete er sich an, kämm te sich, sprühte etwas Eau de Toilette auf sein Gesicht, leichtes Brennen auf der Haut. Sie stand mit dem Rücken zu ihm an der Arbeitsplatte neben der Spüle. Er murmelte ein »Guten Morgen«, setzte sich an den Tisch. In einem Korb einige Scheiben geschnittenes Brot, frische Brötchen (Schulz überlegte, ob sie sie in der Nacht frisch vom Bäcker mitgebracht hatte - hatte sie es diesmal vielleicht mit einem Bäcker getrieben?!), daneben zwei Sorten Marmelade, Sirup und Nußcreme. Sie drehte sich zu ihm um und strahlte ihn an, erwiderte seinen Gruß, kam auf ihn zu, küßte ihn flüchtig auf die Wange. Er erwiderte den Kuß nicht, schwieg. Er fragte sich immer wieder verwundert, wie sie nach einer solchen Nacht
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