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Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers

Titel: Jürgen Zöller Selbst - Aus dem Leben des BAP-Trommlers
Autoren: Juergen Zoller Selbst
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Beratungstätigkeit beobachtet hatte, die möglicherweise den Lauf der Welt verändern könnte. Doch, dieser Elvis, der könnte wichtig sein.
    Die Theise-Oma starb im Frühjahr 1961 kurz vor den Sommerferien. Nach der Beerdigung ging es für fünf Wochen zur Verwandtschaft in die Eifel. Nach Prüm. Eine Stadt voller Amerikaner, und überall wo Amerikaner waren, war auch Musik. Jürgen merkte es spätestens bei seiner Cousine Hannelore, denn die lag danieder mit galoppierendem Elvis-Fieber. Immer wieder liefen bei ihr in Endlos-Rotation die angesagten Elvis-Hits: „His latest Flame“ und „Return to Sender“ und das, obwohl sie gar keine Ortshalbstarke war. Gut, zur Abwechslung gab’s auch mal „Zwei kleine Italiener“ von Cornelia Froboess. Bei Jürgen fiel langsam der Groschen. LOVE ELVIS! Doch, doch, dieser leicht vertrottelte Erhard Semmler aus Hillscheid, der hatte irgendwie schon einen Riecher gehabt. 4,0 auf der nach oben offenen Zappel-Skala.
    „Wir ziehen um. Nach Neuenhain im Taunus!“ Das war die Botschaft, mit der Gerda und Rudi Jürgen auf der Busfahrt nach Hause beglückten. Onkel Fred und Tante Else betrieben einen Kiosk am Bahnhof in Bad Soden. Fred war mit Stolz die klassische rote Socke, Sozialdemokrat bis unter die Haarwurzel, Lokalredakteur bei der
Frankfurter Neuen Presse:
Der wetterte noch im Schlaf gegen Adenauer und die CDU-Regierung. Schimpfte, schaffe, rauchte und soff. Und nun hatten die beiden noch einen neuen Kiosk am Bad Sodener Quellenpark übernommen, für den eigentlich keine Zeit mehr übrig blieb. Rudi überlegte nicht lange. Da musste man zupacken. Hundertzwanzig Mark die Woche verdiente er damals, wenn es hochkam. Kaufmann hatte er gelernt, aber nach dem Krieg hatte er umlernen müssen auf Drechsler. Ja, Rudi Zöller drechselte Pfeifen und ernährte damit eine fünfköpfige Familie. Noch. Denn Pfeifend-rechseln wurde mehr und mehr zur brotlosen Kunst im Wirtschaftswunderland Deutschland, sechzehn Jahre nach dem Krieg.
    „Hast du schon mal onaniert? Mach Kreuzchen in den Kalender, wenn du onaniert hast!“ Solche Sachen sagte Herr Plier. Noch war Jürgen Schüler der Mittelschule des Grauens mit ihren strammen Lehrern, die den 8. Mai 1945 entweder verpennt hatten oder als „Zusammenbruch“ bezeichneten. Herr Plier war der Nachhilfelehrer, der Jürgen helfen sollte, sich mit dem Mittelschulgrauen zu arrangieren. Aber Herr Plier liebte kleine Jungs mehr als normal war, und er umarmte Jürgen ein bisschen mehr als das sein musste. Herr Plier war pädophil, und das flog eines Tages auf. Deshalb endete der Nachhilfeunterricht abrupt, aber Herr Plier schaffte es noch rechtzeitig, eine wichtige Botschaft bei Gerda und Rudi zu platzieren, die auch ankam: „Lasst den Jungen doch die Schule wechseln. In Höhr-Grenzhausen, das hat keinen Zweck, der kommt da nicht mehr klar. Schickt den nach Koblenz aufs neusprachliche Gymnasium.“ In der Folge war in Hillscheid die Hölle los. Der Knabe war sich seiner neuen Macht bewusst – er war jetzt quasi Hausherr im Hillscheider Haushalt. Unten wohnte die Oma, oben hatte er die komplette, aber halbleere Wohnung der Eltern für sich. Was ein Kerl, welch eine Macht! Er fuhr jeden Tag nach Koblenz in die Schule und erzählte dort den staunenden Kumpels von massenweise Weibern, die er wöchentlich im wunderschönen Westerwald willig wollüstig … wegrichtete? Na ja. Alles gelogen. Stattdessen stand er auf dem Bolzplatz. Die Jahresration Klamotten am Leibe, die Frisur schon etwas weniger akkurat, denn Muttern war schließlich im fernen Neuenhain. Aber sonst? Hillscheid eben. Kein Rock’n’Roll. Nicht mal die Existenz von Erhard Semmler riss es in diesen Tagen noch heraus.
    Herbst ’61 in Neuenhain. Jürgen sauste mit dem Fahrrad den Berg runter nach Bad Soden und schob es wieder hinauf. Ein Mädchen sprach ihn an. Eva. „Wer bist’ n du?“ Er erzählte, sie erzählte, die beiden fanden sich sympathisch, aber sie wurden nie ein Paar. Immerhin, das fing ja schon mal gut an in der „neuen Heimat“. Jemand, zu dem man volles Vertrauen haben konnte, das kannte Jürgen so noch nicht. Bei Eva musste er kein Theater spielen, anders als bei seinen Klassenkameraden am Hofheimer Gymnasium. Denen tischte er weiter Geschichten vom Pferd auf. Beziehungsweise vom Rad. Er sei im Radsportverein und fahre Rennen. Alles Kokolores. Vielleicht kam es von den vielen Balkenüberschriften, die mittags nach der Schule auf ihn einbrüllten, wenn er im
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