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Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders

Titel: Jürgen Bartsch - Selbstbildnis eines Kindermörders
Autoren: Paul Moor
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Direktor Schneller, usw., alle möglichen Fragen. («Was erwarten Sie sich?» «Was sind Ihre Fragen?» «Haben Sie Probleme damit?» usw.) Meine Frage: «Aber Sie werden doch wenigstens den (zeitlichen) Durchschnitt sagen können, den die kastrierten Patienten hier noch verbringen müssen?» Stimme aus dem Hintergrund: «Etwa ein Jahr   …» . (Direktor Schneller.) Eine Antwort, über die ich mich damals und heute «verarscht» . (meine Wortbildung) fühle! Dieses Jahr: ALLES ganz anders. Antragsstellung: 17.   11.   1975.   Besuch der Kastrationskommission: Mitte Februar etwa. POSITIVEEntscheidung am 9.   April. Am gleichen Tag (aus gesetzlichen Gründen muß der Patient das selbst tun). Bitte um «rasche Erledigung» bei Dr.   Norda, brieflich. Ergebnis: bis heute, weder von Norda, noch von Dr.   Teuber, noch von Psychologen Eibl oder Garben auch nur EIN EINZIGES WORT   …
     
    [Es versteht sich, daß ein psychisch so kranker Mensch wie Jürgen Bartsch sich kaum als Selbstdiagnostiker empfiehlt; trotzdem, ich finde seine Selbstdiagnose – nach zehn Jahren Gefängnis und Heilanstalt – lesenswert:]
     
    Auch: zwar ist das Gutachten der Ärzte aus Münster im Letzten eine Erlaubnis, aber, obwohl STETS UND STÄNDIG die Formel auftaucht, die Operation soll dem «Angeklagten, hier Antragssteller» «BEI SEINER KÜNFTIGEN LEBENSFÜHRUNG HELFEN», ist bei Beurteilung meiner Persönlichkeit VERNICHTEND! Beispiele, was Fachleute sagen, die MICH FÜNFZEHN MINUTEN KENNEN, KANNTEN: ich bin, versteht sich, einer, der es «genoß, im Blickpunkt der Öffentlichkeit zu stehen», sich als «etwas Besonderes» zu fühlen, darum auch die alleinseligmachende Kastration ablehnte, keinen überzeugenden Argumenten zugänglich war, in höchster Weise egozentrisch und egoistisch, und aus Lust am Sadismus, aus Lust an den Lustgefühlen auf sie gar nicht verzichten wollte (sinngemäß). Was mir DURCHAUS NEU IST. Im letzten Jahr jedoch (erst dann, ja schau mal an!) «dachte» ich «um», «quälte» es mich plötzlich, heute «leide» ich (erst ab 75/​76?) «echt» darunter. Ich habe also lange unecht gelitten. Von 1962 [dem Jahr des ersten Mordes] an. Ein recht langes, unechtes Leiden   …
    Als echtem Ungeheuer, Teufel, Satan, Bestie (meine Worte) war bei mir «lange Zeit kein echter Leidensdruck erkennbar». Tja, so ist das nun bei Monsters daheim   … Gegenbeweis: 1968   Selbstmordversuch I (Seife gegessen), 1970   Selbstmordversuch II (dreißig Tabletten «Limbatril», Zustand kritisch), 1972   Selbstmordversuch III in Düsseldorf (mit zwei Kugelschreiberminengleichzeitig in Steckdose). WIE VEREINBART SICH DAS MIT DEM «NICHT ERKENNBAREN» LEIDENSDRUCK?
    Weiter: warum mag mancher keine Katzen? Weil sie in kein Schema passen, weil sie IHREN EIGENEN KOPF HABEN! Warum fühlt man sich hier immer wieder bemüßigt, mich in ein SCHEMA (keine Presse, verdummende Papierarbeit, nicht unbedingt einen Rechtsanwalt usw., usw.) zu pressen? (Fußnote: ein Rechtsanwalts-Verbot gibt es, um sachlich zu bleiben, nicht   …) Weil ich einen eigenen Kopf habe. Meinen eigenen Kopf habe ich auch beim Briefeschreiben. Ich schreibe nicht übers Wetter. Ich schreibe, was ich subjektiv fühle. Es mag falsch sein, aber wenn ich es subjektiv als richtig empfinde, MUSS ICH ES SCHREIBEN DÜRFEN!
    Ich darf es auch, habe aber ÜBER UND ÜBER Ärger damit. EMINENTEN Ärger. Eventuell auch darum von Dr.   Norda bis heute keine Antwort. Weil Psychologe Eibl mir gegenüber von RESOZIALISIERUNG sprach, glaubte ich ihm (daß latente Bereitschaft vorhanden sei), und schrieb an Dr.   Norda im bewußten Brief: «Die Resozialisierungsbereitschaft (der Anstalt) werde ich an der Zeit messen, die zwischen diesem Brief und dem Eingriff vergeht   …» . (ZITAT). ICH, LIEBER PAUL, MESSE (darf ich, subjektiv) DIE RESOZIALISIERUNGSBEREITSCHAFT TATSÄCHLICH DARAN.
    Ist auch logisch: bin ich ARZT und KANN helfen, helfe ich, so RASCH ich kann. Oder? Wenn also auf meinem Brief keine Antwort kommt, kein einziges Gespräch über drei Wochen, GIBT ES DANN ECHTE RESOZIALISIERUNGSBEREITSCHAFT?
    Gebe Dir, alter Freund, die Antwort selbst   …
     
    [Eine Woche vor Kastration und Tod schrieb mir Jürgen:]
     
    Ich bin zur Zeit restlos untherapiert. Gruppentherapie gibt es momentan nicht, die Einzeltherapie ist von unserer Psychologin selbst abgebrochen. Der Sachlichkeit wegen die Gründe: ich stellte, zugegebenerweise nur REIN GEFÜHLSMÄSSIG, des öftereneine reine
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