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Jud Sueß

Jud Sueß

Titel: Jud Sueß
Autoren: Lion Feuchtwanger
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in ein Geschäft ziehen, ihn verschachern, das nicht. Er glaubte an nichts, an Böses nicht und an Gutes nicht. Aber das hieß sich in Dinge stürzen, wo alles Rechnen und Wägen zu Ende war, das hieß sich in einen Wirbel stürzen, wo aller Mut so unsinnig war wie alle Schwimmkunst vergebens.
    Er atmete heftig, gedrängt. Hob, mit einer Bewegung der Abwehr, jäh überfrostet, den Rücken. Es war ihm plötzlich, als schaute ihm ein Mensch über die Schulter, ein Mensch mit seinem eigenen Gesicht, aber ganz im Dämmer, nebelhaft.
    »Ihr sollt nichts von ihm verlangen«, lockte Isaak Landauer vorsichtig weiter. »Ihr braucht ihm keinen Vorschlag tun. Alles, was ich will, Reb Josef Süß, ist, daß Ihr ihn herschafft nach Wildbad. Ihr brauchtet ja nur Euern jungen Menschen zu schicken, den Pfäffle, der würde ihn gewiß auftreiben. Ich würde Euch gut assoziieren an dem Geschäft mit der Gräfin.«
    Süß schüttelte die Benommenheit von sich ab, raffte sich zusammen. Die Dinge traten wieder ein in ihre Farbe, Umriß, Klarheit, Greifbarkeit. Das Nebelgesicht hinter seiner Schulter verschwand. Unsinn seine Bedenklichkeit. Er war doch kein verschwärmter, dummer Junge. Ja, damals, als man ihm den Vorschlag gemacht hatte, sich taufen zu lassen, am kurpfälzischen Hof, daß er da nicht zugriff, das waren verständliche Hemmungen gewesen. Er wußte zwar jetzt noch nicht recht, warum er es nicht gemacht hatte wie sein Bruder und sich auf so einfache Weise Glanz, Position und Baronie verschafft. Aber er tat es eben nicht damals und hätte es auch heute nicht getan und nie und für kein Geschäft der Welt. Doch jetzt, was dieser da von ihm verlangte, der Listige, Kluge, Gewiegte, was war da denn viel dabei? Kein Mensch doch verlangte von ihm, daß er den Rabbi, den Unheimlichen, den drohend Unbehaglichen, verschachere. Wie hatte ihm da wieder seine Phantasie, die galoppierende, viel zu rasche, die Begriffe gewirrt. Herrufen sollte er den Alten, nichts weiter. Und dafür die Verbindung mit der Gräfin, demHerzog, dem Prinzen Eugen. Ein Narr wäre er, wenn er nicht zugriffe, weil es ein wenig, er suchte das Wort, ein wenig unbehaglich war.
    Zögernd, in einem halben Satze, sagte er, nach dem Rabbi zu schicken, an sich ginge das ja allenfalls. Sofort hackte Isaak Landauer zu. Aber nun forderte Süß an dem Geschäft mit der Gräfin einen Anteil, den der andere unmöglich bewilligen konnte. Eingehend, scharf schachernd, besprachen sie die Einzelheiten. Nur Schritt um Schritt, heftig kämpfend, wich Süß zurück.
    Als sie schließlich übereingekommen waren, dachte Süß, lebte, atmete er nur noch in diesem Geschäft. Rabbi Gabriel sank ihm in das Verkapselte, sowie er den Diener weggeschickt hatte.
    Nicklas Pfäffle fuhr mit der Post. Der blasse, fette, schweigsame Mensch fiel nirgends auf. Gelassen, gelangweilt, leicht müde von Aussehen, versteckte er seine Betriebsamkeit hinter dem melancholischen Phlegma seines gedunsenen, blutleeren Gesichts. Die Aufgabe einmal übernommen, klebte er daran, harzzäh und gleichmütig.
    Die Spur des Fremden führte kreuz und quer durchs Schwäbische, ohne erkennbares Ziel, willkürlich. Verlor sich dann, tauchte in der Schweiz wieder auf. Der blasse, fette Mensch folgte gewissenhaft, Wendung um Wendung, unentrinnbar, unerregt.
    Das war eine seltsame Reise, die der Fremde machte, und sehr anders als sonst eine Fahrt. Selten, daß er die nächste Straße wählte, er schlug sich in die Nebenpfade, je rauher ein Weg war, so willkommener schien er ihm. Was in aller Welt suchte einer in Wüsten von Stein und Eis, die Gott mit seinem Zorn geschlagen hatte.
    Die wenigen Bauern, Jäger, Holzfäller dieser Gegend waren stumpf, hart vom Wort. Stieg der Fremde höher als ihre höchsten Weiden, so wandten sie ihm wohl einen Blick zu, aber langsam und teilnahmslos wie ihr Vieh, und langsam undteilnahmslos wandten sie ihn wieder ab, war er vorbei. Der Fremde trug sich unauffällig, schwere Kleider von gleichgültiger Farbe, ziemlich altmodisch, wie sie in Holland vor zwanzig Jahren modern gewesen sein mochten. Klein, breit, dicklich, den Rücken leicht rund, wanderte er, schwer von Schritt und stetig. Hier in den Bergen, wo nie sonst ein Fremder hinkam, war es leicht für Nicklas Pfäffle, ihn nicht zu verlieren. In der menschenvolleren Ebene indes war es schwer gewesen, dem Unauffälligen zu folgen. Es war ein sehr Seltsames, schwer Deutbares, was trotz dem Mangel an äußeren Merkmalen seine Fährte
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