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Josepsson, Aevar Örn

Josepsson, Aevar Örn

Titel: Josepsson, Aevar Örn
Autoren: Wer ohne Sünde ist
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die Seinen. Er fiel einem nicht in den Rücken, o nein, Schicksalsschläge dienten immer einem Zweck.
    Ólafur lernte Gott bei der dritten Therapie kennen. Zwar hatte es auch bei den beiden vorangegangenen Entziehungskuren Leute gegeben, die sie zusammenführen wollten, doch erst bei der Anschlusstherapie in Staðarfell war Ólafur bereit gewesen, sich ihm zu öffnen – denn dazu musste man bereit sein. Gott bedurfte zwar weder einer Einladung noch einer Erlaubnis, aber er drängte sich auch nicht einfach so in die Herzen von Menschen, die ihn nicht willkommen hießen, wie der Meister sich gerne ausdrückte. Und als Ólafur ihn endlich willkommen hieß, änderte sich alles. Das war im Frühjahr 2001 gewesen.
    Zuerst hörte er auf zu trinken, und zwar ganz. Dann bekehrte er sich zur heiligen WAHRHEIT , wo er zahlreiche Menschen traf, die ähnliche Erfahrungen wie er hinter sich hatten, und häufig genug sogar noch schlimmere. Hier waren alle in einer neuen Hoffnung vereint: in Christus und der Gewissheit seiner bevorstehenden Wiederkehr.
    Es dauerte allerdings nicht lange, bis er entdeckte, dass er sich durchaus wieder dem Alkohol zuwenden konnte, ohne die Kontrolle über seinen Konsum zu verlieren, so segensreich und mächtig waren der Herr und seine Gemeinschaft. Drei, höchstens vier Gläser am Abend, mehr nicht. Vielleicht hin und wieder auch etwas mehr, aber nie so viel, dass es besorgniserregend war. Und niemals auch nur ein Tropfen vormittags, das passierte einfach nicht mehr. Das war mehr, als der arme Úlfur sagen konnte, der immer wieder in die alten Bahnen zurückfiel, sobald ein Tropfen seine Lippen benetzte. Úlfur hatte aber – trotz sechs Aufenthalten in Vogqr und drei in Staðarfell – Gott immer noch nicht gefunden.
    Es dauerte gar nicht lange, bis Ólafur trotz seines lädierten Rückens eine der wichtigsten Stützen und einer der Assistenten des Meisters wurde, er durfte auf keiner Versammlung fehlen. Der Meister machte sich die moderne Technik, die Gott den Menschen zugänglich gemacht hatte, ausgiebig zunutze, und diesbezüglich war Ólafur auf heimischem Terrain. Auch Ari, dem Bruder des Meisters, stand er unermüdlich zur Seite. Der hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die frohe Botschaft des Meisters über die Ätherwellen unter die Leute zu bringen. Ólafur wusste schon gar nicht mehr, wie oft es durch seinen Einsatz gelungen war, die ganze Chose auf Sendung zu halten.
    »So arbeitet der Herr«, hatte der Meister vor versammelter Gemeinde erklärt, als Ólafur mitten in einer Predigt, die direkt vom Alpha-Sender übertragen wurde, die Mikrofonanlage repariert hatte. Erst drei Wochen vorher war er zum ersten Mal bei einer Versammlung der WAHRHEIT erschienen. »So arbeitet ER , meine Brüder und Schwestern. ER weiß um die Unvollkommenheit menschlichen Tuns, ER weiß, dass Maschinen und Apparaturen versagen können, und was tut der Herr? ER schickt uns einen neuen Bruder und lässt ihn die Dinge für uns in Ordnung bringen.«
    Das hatte Ólafur tief berührt. Und er war dem Herrn dankbar. Und dem Meister. Und seinem Bruder Ari. Sie alle gaben ihm die Hoffnung, dass alles gut werden würde. Am 12. Februar 2005, einem Samstag, hatte sich diese Hoffnung in Gewissheit verwandelt. Da war das Wunder geschehen. Ein Wunder war es nämlich, ein Mirakel und ein Mysterium, vom Himmel gesandt. Der Haken war bloß, dass er diese schöne Gewissheit mit niemandem teilen konnte. Er war allein, ganz allein. Und einsam. Aber auch das würde sich noch ändern, davon war er überzeugt. Weshalb sonst hätte der Herr ihm an diesem kalten Samstag im Februar, mitten im dunklen Winter, sein Wohlgefallen auf so eindeutige Weise erwiesen?
    *
    Hólmfríður hob die Schellfischstücke aus dem Topf und reihte sie ordentlich mit der Haut nach unten auf einem Porzellanteller mit Blümchenmuster auf. An dem Tag, als ihr Bankkonto zum ersten Mal nach der Scheidung in den Miesen war, hatte sie sich geschworen, dass es, auch wenn man beim Einkaufen zu Sparsamkeit gezwungen sein würde, nicht in Frage käme, im Hinblick auf die ästhetischen Grundsätze nachlässig zu werden. Das Gleiche galt für die Anforderungen im Haushalt, Putzen beispielswiese, und im Grunde genommen für alles. Obwohl sie gezwungen war, in ein kleineres Haus zu ziehen, achtete sie doch sehr darauf, dass die Kinder nicht das Gefühl bekamen, dass Lebensstandard und Ambiente sich verschlechtert hatten. Bei den Mitteln, die ihr zur Verfügung standen, kostete
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