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Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.

Titel: Josephus- Trilogie. Der jüdische Krieg / Die Söhne / Der Tag wird kommen.
Autoren: Lion Feuchtwanger
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Lächeln ihn aufbrachte, spürte, wie sehr er die Frau liebte, und für immer. Sie aber, Dorion, schaute auf den Lehrer ihres Sohnes. »Wie denken Sie darüber, mein Phineas?« fragte sie.
      Der sonst so gelassene, elegante Mann konnte seine Erregung schwer verbergen. Nervös beugte und streckte er die langen Finger der großen, dünnen, krankhaft blassen Hände, nicht einmal die Füße in den griechischen Schuhen konnte er ruhig halten. Hin und her gerissen war er von zwiespältigen Gefühlen. Es schmerzte ihn, daß er Paulus endgültig verlieren sollte. Er liebte den schönen, begabten Jungen, er hatte sich so heiß bemüht, ihm sein Griechentum einzupflanzen. Er hatte wohl gesehen, daß ihm Paulus langsam entglitt, aber er wird es schwer verwinden, wenn Paulus ganz und für immer ein Römer werden sollte, und das war nicht zu verhindern, wenn er zur Legion nach Judäa ging. Andernteils war es ein starker Trost, sich auszumalen, wie es diesen Josephus treffen mußte, wenn sein eigener Sohn, sein Paulus, teilnahm an dem Kampf gegen sein Volk, im Lager der Römer. Mit seiner tiefen, wohlklingenden Stimme sagte Phineas: »Es wäre mir ein Schmerz, wenn unser Paulus nach Judäa gehen sollte, doch ich muß sagen, in diesem Fall verstünde ich ihn.«
      »Auch ich verstehe ihn«, sagte die Dame Dorion, und: »Ich fürchte, mein Sohn Paulus«, sagte sie, »ich werde dir nicht mehr sehr lange nein sagen können.«
      Die Reise nach Judäa in dieser Jahreszeit war umständlich, ja gefährlich. Paulus betrieb die Vorbereitungen mit Eifer und mit Umsicht. Er war jungenhaft glücklich; nichts mehr war in ihm von dem unberechenbar Heftigen, Leidenschaftlichen, das die um ihn so häufig erschreckt hatte. Entwichen aus ihm waren jene jüdischen Meinungen und Eigenschaften, die sein Vater in ihn hatte einsenken wollen. Entwichen aus ihm war das Griechentum, mit dem ihn zu durchtränken seine Mutter und sein Lehrer so heiß bemüht gewesen waren. Gesiegt hatte der Raum um ihn, gesiegt hatte die Zeit um ihn: er, der Sohn des Juden und der Griechin, war ganz zum Römer geworden.

    Steifen, unbeholfenen Schrittes ging der Kaiser die Käfige seines Tierparks in Alba entlang. Das Schloß war als Sommerresidenz gedacht, aber Domitian fuhr häufig auch in der schlechten Jahreszeit heraus. Er liebte dies sein Schloß in Alba mehr als alle seine anderen Besitzungen, und wenn er das weitläufige, prunkvolle Palais als Prinz mit ungenügenden Mitteln begonnen hatte, so war er jetzt bestrebt, es um so großartiger zu vollenden. Unabsehbar dehnte sich der kunstvolle Park, überall wuchsen Nebengebäude aus dem Boden.
      Unförmig, in Filzmantel, Kapuze und Pelzschuhen, storchte der große Mann die Käfige entlang, hinter ihm der Zwerg Silen, dick, wüst behaart, verwachsen. Es war ein feuchter, kalter Tag, vom See stieg Dunst auf, die sonst so farbige Landschaft lag blaß, selbst die Blätter der Olivenbäume waren ohne Glanz. Ab und zu blieb der Kaiser vor einem Käfig stehen und beschaute abwesenden Blickes die Tiere.
      Er war froh, daß er sich entschlossen hatte, den Palatin zu verlassen und hier herauszufahren. Er gefiel sich in der winterlich dunstigen Landschaft. Gestern waren ausführliche Depeschen von der Donaugrenze eingetroffen, der Einfall der Daker ins Reich hatte schlimmere Folgen gehabt, als er angenommen, man konnte nicht mehr von Grenzzwischenfällen reden, was sich jetzt da unten vorbereitete, war ein Krieg.
      Er preßte die aufgeworfene Oberlippe auf die Unterlippe. Er wird jetzt wohl selber zu Felde ziehen müssen. Angenehm ist das nicht. Er liebt keine schnellen, unbequemen Reisen, er liebt es nicht, lange zu Pferde zu sitzen, und jetzt im Winter ist alles doppelt strapaziös. Nein, er ist kein Soldat, er ist nicht wie sein Vater Vespasian und sein Bruder Titus. Die waren nichts als Soldaten, ins Gigantische gereckte Feldwebel. Noch hat er die schmetternde Stimme des Titus im Ohr, und ein angewidertes Zucken geht über sein Gesicht. Nein, ihm liegt nichts an glänzenden Siegen, die man dann doch nicht weiterverfolgen kann. Er strebt Gewinne an, die bleiben, Sicherungen. Er hat einiges gesichert, in Germanien, in Britannien. Er ist die Erfüllung des flavischen Geschlechts. Wenn er sich vom Senat den Titel »Herr und Gott Domitian« hat zuerkennen lassen, dann mit Recht.
      Er stand jetzt vor dem Käfig der Wölfin. Es war ein ausgesucht schönes, kräftiges Tier, der Kaiser liebte diese Wölfin, das
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