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Joschka, die siebte Kavallerie

Joschka, die siebte Kavallerie

Titel: Joschka, die siebte Kavallerie
Autoren: Joachim Masannek
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keiner ertragen! Hört ihr!“
    „Was du nicht sagst! Ich hab gedacht, dich interessiert nur mein Kuss!“
    Grinsend trat Vanessa in die Pedale und nur einen Atemzug später war der wilde Pulk unterwegs. Mit 50 Sachen raste er am Fuß der Mauer um die Nebelburg rum.
    Ich aber befand mich mitten in Mordor. Im Auge des Hurrikans. Ich überquerte einen Vulkan im selben Moment, in dem er ausbrechen sollte. Ich fuhr die Niagarafälle hinunter, kopfüber und Schuss, und ich hoffte wirklich, dass ich heil unten ankommen würde. So wichtig war mir der Sieg. Doch ganz langsam begann diese Hoffnung zu bröckeln.
    Warum hatte ich nicht auf mein Fahrrad vertraut? Der Vorsprung, den mir die Rosa Wolke verschafft hatte, hätte mir den Sieg garantiert. Doch anstatt wie ein siebenjähriger Junge zu handeln, war ich plötzlich wieder ganz klein. Die halbe Portion. Das Wilde Fußballkerle -Baby. Deshalb hatte ich mich im selben Moment, in dem die Rosa Wolke hinter mir explodierte, für mein Unheil entschieden. Ich hatte mein Raketenrennrad auf die Seite gerissen. Ich war auf den Gleitblech-Bahnen unter der Schranke hindurch direkt auf das Internatsgelände gerutscht. Ja, und obwohl das eine Abkürzung war, obwohl mein Vorsprung groß genug war, um auf normalem Weg, dem Weg um die Nebelburg herum, zu gewinnen, fuhr ich, als wäre der Teufel hinter mir her.
    Aber das musste ich auch. Das war meine einzige Chance. Ich musste so schnell wie möglich aus dieser Falle heraus. Über den alten, verwitterten Hof und durch die Skateranlage dahinter hindurch. Dort, über der Halfpipe, in anderthalb Metern Höhe, klaffte ein Loch in der Nebelburgmauer. Und wenn ich schnell genug war, dann konnte ich über die Rampe davor, durch genau dieses Loch in der Mauer, den Flammenmützen entkommen. Touristisch-bombastischer Bärenbauchspeck! Das war die Rettung und das war der Sieg. Der Sieg im Wilde Kerle -Geburtstagsrennen. Und wenn mir der glückte, dann war ich der Held. Und dann war mir selbst der vor Spucke triefende Kuss von Vanessa schnurzpiepe egal.

Die Flammenmützen
    Ich gab Gummi. Ich grub mein Kinn in den Schaumstoffschutz hinter der Rennverkleidung und schoss in den alten, verwitterten Hof. Der war absolut leer. So leer wie der Mond und drei ganze Herzschläge lang dachte ich wirklich: „Ich hab es geschafft! Ich werde ihnen entkommen!“
    Da hörte ich ihre Musik. Sie kam vom Skatergelände. Dumpf, stampfend und so kalt wie Eis. Sie schlug mir wie Gischt ins Gesicht. Ihr Rhythmus zwang mein Herz anders zu schlagen. Er presste es durch ein Sieb in meine Hose hinein. Beim tyranno-touristischen Monster-Rex! Sie waren da!
    Sie waren da und mich würde es bald nicht mehr geben. Die Siebt- und Achtklässler des Internats waren erbarmungslos, gnadenlos, unbarmherzig und cool. So cool wie der Sensenmann. So cool wie die böseste Hexe der Welt: wie Staraja Riba. Und diesen Namen hatte sich der coolste von allen, ihr Anführer Wilson „Gonzo“ Gonzales, der blasse Vampir, als brennenden Stacheldraht auf den Arm tätowiert.

    Ich konnte ihn sehen. Seine dunkelblaue Mütze mit den silbernen Flammen glänzte im Sonnenlicht. Er stand in der Halfpipe, das Skateboard wie einen Raubritterschild in der Hand, und versperrte das Loch in der Mauer dahinter.
    Meine Nackenhaare stellten sich auf. Ich presste die Zähne zusammen. Ich verfluchte den Schmerz, der wie heißes Blei in meine Beine schoss und der versuchte, meine Knie zu lähmen. Doch ich gab noch nicht auf. Ich gab noch mal Gas und dann sah ich endlich die Schanze. Sie war nur ganz flach. Ein Kicker für Anfänger oder Idioten. Für die, die das Skaten nie lernen würden. Doch sie reichte aus. Wenn ich schnell genug war, katapultierte mich selbst dieses Idioten-Maulwurfs-Sprung-Hügelchen durch die Halfpipe und über den Kopf von Gonzales direkt durch das Loch in der Mauer hindurch.
    Ha! Der würde staunen! Auf dieses dumme Gesicht freute ich mich jetzt schon wie auf ein Fischstäbchen-Sandwich mit Ketschup. Das war mein Lieblingsessen. Das würde es heute Mittag zuhauf für mich geben. Ja, ich hatte nämlich heute Geburtstag. Das war mein Tag! Und ich musste nur noch schnell genug sein.
    Ich riss und zerrte am Hebel der Schaltung. Ich rammte den letzten Gang ein. Die Tacho-Nadel tanzte und zuckte und dann verschwand sie im roten Bereich. Ich hielt die Luft an. Ich fuhr jetzt 16-Zoll-Raketenfahrrad-Mach-9. Das heißt: Ich schoss mit 50 Sachen über den Internatshof hinweg. Meine Räder hüpften und
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