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Joschka, die siebte Kavallerie

Joschka, die siebte Kavallerie

Titel: Joschka, die siebte Kavallerie
Autoren: Joachim Masannek
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Ihre Hände steckten im Kopf und in den Händen des Monsters, wie in einer Muppets-Show-Puppe, und sie grinsten mich an.
    „Ist der nicht wild?“, rief Juli und warf mir den Wilden Kerl zu. „Den hat Mama für dich genäht. Ja, und das ist von mir. Los, pack es schon aus!“
    Er drückte mir den kleinen Karton in die Hand. Ich riss ihn auf und ich fand tatsächlich das, was ich hoffte: Die schwarze Wilde Kerle -Totenkopf-Tasse. Ja, und auch mein Name stand drauf: Joschka, die siebte Kavallerie, und mein Zeichen: das X. Das Joker-X, das mir Giacomo Ribaldo, der brasilianische Fußballgott von den Bayern höchstpersönlich ausgesucht hatte.

    „Aber das ist noch nicht alles!“, drängte mich Juli so ungeduldig, als hätte er selber Geburtstag. „Los! Komm mit nach draußen. Na, mach schon! Da wartet die größte Überraschung auf dich!“
    Ich schaute von Juli zu meiner Mutter.
    „Noch größer als die Tasse und der Wilde Kerl ?“, fragte ich völlig verdattert.
    Doch Juli schubste mich schon durch die Tür und in den Garten hinaus, direkt vor den LKW, der in der Toreinfahrt stand. Ja, und an dem Führerhaus lehnte ein Mann. Nein, nicht irgendein Mann. Dort lehnte der Mann, den Juli in den Graffiti-Burgen getroffen hatte: sein und mein Vater.
    „Herzlichen Glückwunsch, Joschka!“, begrüßte er mich. „Hab ich richtig gehört? Bist du ab heute ein Wilder Kerl ? Ich meine, ein richtiger Erwachsener?“
    Ich wurde knallrot. Ich brachte kein Wort über die Lippen. Ich stand nur da, die Tasse und die Monsterpuppe im Arm, und strahlte über das ganze Gesicht.
    „Mhm. Dann muss es wohl stimmen“, nickte mein Vater. „Und ein richtiger Kerl braucht auch ein richtiges Bike!“
    Mit diesen Worten klappte er die Ladefläche seines LKWs auf und enthüllte das wohl beste, coolste und wildeste Geschenk meines Lebens.
    „Oder irre ich mich?“, grinste er.
    Ich starrte auf das einzigartigste Rennrad der Welt: Zwei 16-Zoll-Räder standen fast doppelt so weit auseinander wie es sich normalerweise gehört. Die Reifen waren so fett wie die einer Harley. Man brauchte Scheibenbremsen, um sie zu stoppen. Die Griffe des Lenkers hatte mein Vater auf beiden Seiten der gefederten Gabel ganz dicht über die Achse geschweißt. Der Sattel war eine lange, mit Leder gepolsterte Bank. Auf ihr lag man flach auf dem Bauch. Der Kopf wurde durch eine schwarze Rennverkleidung mit Windschutzscheibe geschützt und die Pedale, die hinten vor dem Hinterrad angebracht waren, trat man mit angewinkelten Knien. Die Beine wurden von verchromten Bügeln umrahmt, mit schwarzen Gleitblechen für die Kurven. Und über dem Hinterradreifen stand wie ein Nummernschild ein fettes, oranges X.
    „Kreuzhuhn und Kümmelkack!“, seufzte mein Bruder. „Gefällt es dir nicht? Hey, Joschka! Du musst es nur sagen. Dann probier ich ’s für dich aus!“
    „Untersteh dich!“, rief ich.
    Ich drückte meiner Mutter die Tasse und den Wilden Kerl in die Hand, sprang auf die Ladefläche hinauf und nur drei Herzschläge später saß, nein, lag ich auf meinem Bike.

    „Einen Moment!“, sagte mein Vater und reichte mir einen Helm: mattschwarz mit orangenen Streifen. „Hier! Den solltest du tragen. Hast du gehört! Dieses Fahrrad ist eine Rakete.“
    Ich nickte beeindruckt. Verflixt! Diesen Helm würde ich selbst zum Schlafen anziehen. So wie Juli seine karierte Mütze. Ich zurrte ihn fest, überprüfte noch mal, ob er auch ganz sicher saß, ja, und dann, dann rollte ich die Rampe hinab.
    Satt und dumpf surrten die Reifen über die Fliesen der Einfahrt. Die gepolsterte Bank schmiegte sich an meinen Bauch und der Lenker wuchs aus meinen Händen heraus, als wäre er ein Teil von mir. Extra-touristische Tellergans! Das Fahrrad war maßgeschneidert für mich. Es fühlte sich an, als würde ich es schon seit hundert Jahren besitzen, und deshalb gab ich jetzt Gas.
    Ich stemmte mich in die Pedale, duckte mich hinter die Windschutzscheibe und schoss durch das Tor in den Fasanengarten hinaus.
    „Alles ist gut! Solange du wild bist!“, schrie ich begeistert, bremste am Ende der Straße, dass sich die Federbeine der Gabel tief senkten, ging in die Kurve, streifte mit den schwarzen Gleitblechen über den Teer und kehrte nach Hause zurück.
    „Danke. Vielen Dank!“, lachte ich und umarmte meinen Vater und meine Mutter. Ich war sieben mal siebenmal glücklich. Verflixt! Aber ich war auch sieben mal siebenmal wild. Denn als mein Bruder entsetzt zurückwich, weil er dachte, ich
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