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Jonathan Strange & Mr. Norrell

Jonathan Strange & Mr. Norrell

Titel: Jonathan Strange & Mr. Norrell
Autoren: Susanna Clarke
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hatten, die sie unverzüglich jedem anderen Herrn im Saal mitteilen mussten. Als Erster unterbrach ihn Dr. Foxcastle. Von seinem hohen schwarzen Thron aus wandte er sich an Mr. Honeyfoot. »Ich bedaure sehr, Sir, mit ansehen zu müssen, wie Sie die Zauberei – die Sie, wie ich sehr wohl weiß, hoch achten – mit unwahrscheinlichen Geschichten und wilden Erfindungen in Verruf bringen. Mr. Segundus«, wandte er sich an den Herrn, den er als den Urheber des ganzen Ärgers betrachtete, »ich weiß nicht, was dort üblich ist, wo Sie herkommen, aber wir in Yorkshire halten nichts von Männern, die sich auf Kosten des Seelenfriedens anderer Menschen einen Namen machen wollen.«
    Weiter kam Dr. Foxcastle nicht, denn er wurde von den lauten, wütenden Rufen der Anhänger von Mr. Honeyfoot und Mr. Segundus zum Schweigen gebracht. Der nächste Herr, der sich Gehör verschaffte, wunderte sich, dass Mr. Segundus und Mr. Honeyfoot sich so hatten hinters Licht führen lassen. Mr. Norrell war ganz eindeutig verrückt – nicht anders als jene wild um sich starrenden Irren, die an Straßenecken standen und schrien, sie wären der Rabenkönig.
    Ein Herr mit sandfarbenem Haar meinte im Zustand höchster Aufregung, Mr. Honeyfoot und Mr. Segundus hätten darauf bestehen sollen, dass Mr. Norrell auf der Stelle sein Haus verlasse und geradewegs in einem offenen Wagen (obwohl es Januar war) im Triumphzug nach York fahre, damit der Herr mit dem sandfarbenen Haar Efeublätter auf seinen Pfad hätte streuen können 7 ; und einer der sehr alten Männer vor dem Feuer sprach mit großer Leidenschaft über irgendetwas, aber da er so alt war, war seine Stimme ziemlich leise, und in dem Moment hatte niemand die Muße, herauszufinden, was genau er sagte.
    Im Saal befand sich auch ein großer vernünftiger Mann namens Thorpe, ein Herr, der nur sehr wenig von Zauberei verstand, dafür jedoch umso mehr über gesunden Menschenverstand verfügte, eine Seltenheit bei einem Zauberer. Er war immer dafür gewesen, Mr. Segundus bei seinen Nachforschungen, wohin die praktische englische Zauberei verschwunden war, zu unterstützen, allerdings hatte Mr. Thorpe wie alle anderen nicht damit gerechnet, dass Mr. Segundus die Antwort so schnell finden würde. Aber jetzt, da sie eine Antwort hatten, war Mr. Thorpe der Meinung, dass sie sie nicht einfach ignorieren konnten. »Meine Herren, Mr. Norrell behauptet, dass er zaubern kann. Nun denn. Wir wissen ein bisschen was über Norrell – wir haben alle von den seltenen Texten gehört, die er angeblich besitzt, und allein aus diesem Grund wäre es falsch, seine Behauptung ohne sorgfältige Prüfung abzutun. Aber es gibt noch bessere Argumente zugunsten von Norrell. Zwei von uns – beide ernsthafte Gelehrte – haben Norrell persönlich kennen gelernt und sind überzeugt zurückgekehrt.« Er wandte sich an Mr. Honeyfoot. »Sie glauben an diesen Mann – man sieht es Ihrem Gesicht an. Sie haben etwas gesehen, was Sie überzeugt hat -wollen Sie uns nicht mitteilen, was es war?«
    Nun, Mr. Honeyfoots Reaktion auf diese Bitte war vielleicht ein wenig sonderbar. Zuerst lächelte er Mr. Thorpe dankbar an, als hätte er sich genau das gewünscht: die Chance, die ausgezeichneten Gründe bekannt zu geben, warum er glaubte, dass Mr. Norrell zaubern konnte. Er öffnete den Mund, um zu sprechen. Dann hielt er inne, machte eine Pause, schaute sich um, als würden sich die ausgezeichneten Gründe, die vor einem Augenblick noch so unanfechtbar schienen, in seinem Mund in ein verschwommenes Nichts verwandeln und als könnten seine Zunge und seine Zähne nicht einen einzigen Grund in einem verständlichen englischen Satz formulieren. Er murmelte etwas von Mr. Norrells ehrlichem Gesicht.
    Die Gilde von York hielt das für nicht sehr zufrieden stellend (und wären sie so privilegiert gewesen, Mr. Norrells Gesicht tatsächlich zu sehen, hätten sie es womöglich als noch weniger zufrieden stellend empfunden). Deswegen wandte Mr. Thorpe sich an Mr. Segundus und sagte: »Mr. Segundus, auch Sie haben Norrell gesehen. Was ist Ihre Meinung?«
    Zum ersten Mal bemerkte die Gilde von York, wie blass Mr. Segundus war, und einigen Herren fiel ein, dass er ihnen, als sie ihn grüßten, nicht geantwortet hatte, als könnte er seine Gedanken nicht sammeln. »Fühlen Sie sich nicht wohl, Sir?«, fragte Mr. Thorpe besorgt. »Doch, doch«, murmelte Mr. Segundus. »Es ist nichts. Ich danke Ihnen.« Aber er blickte so verloren drein, dass einer der
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