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Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)

Titel: Johann Holtrop. Abriss der Gesellschaft. Roman (German Edition)
Autoren: Rainald Goetz
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sprach den Namen französisch aus und betonte stark den Rachenlaut am Schluss. Dadurch öffnete sich ihr Mund sehr weit und zeigte Holtrop beim Lachen die weißen Zähne, die Lippen und das Innere des frisch in allen Roséfarbtönen schimmernden Mundinnenraums. Uhl, der zwei Tische weiter am schlimmsten Langweilertisch bei Finanzvorstand Ahlers saß, wurde vom hellen Kichern seiner Frau übermächtig und gegen seinen Willen dazu gezwungen, sich rückwärts zu ihr nach hinten umzudrehen, in grotesk verdrehter Haltung seines ziemlich fetten Oberkörpers saß er da und sah, Entsetzen im Blick, wie seine Frau mit offenem Mund von Holtrop fort und zu ihm wieder hinwippte und in Holtrops Gesicht mit aller Kraft, die sie hatte, hinein lachte, kicherte, kreischte.
    Später am Abend, als alle schon einigen Alkohol getrunken hatten, war das Spiel in die Richtung gegangen, dass sie als seine Assistentin, Zofe, Dienerin ihm als ihrem Herrngehorchen müsse, und er umgekehrt ihr als ihr Meister, Herr und Chef möglichst absurde Befehle zu geben hätte, die sie dann nicht genügend devot und nicht gut genug ausführen würde, wofür sie von ihm, zumindest verbal, gezüchtigt werden müsse usw. Dabei war es für Holtrop wie mit Errol Flynn und George Peppard, er wusste, dass mit dem Spiel von ihr etwas spielerisch Sadomasohaftes gemeint war, kannte aber diese Spiele nicht genügend gut, um in der von ihr erwünschten Weise einsteigen und mit ihr regelrecht mitspielen zu können, wie sie es gerne gehabt hätte. »Sind Sie eigentlich verheiratet?« sagte sie spöttisch. »Ja«, antwortete er und lehnte sich zurück. »Ich auch«, sagte sie und lehnte sich vor, und ihr provokativer Blick sagte dazu: »umso besser, dann kann ja nichts passieren!« und gleichzeitig das Gegenteil davon.
    Da war Wenningrode an den Holtroptisch herangetreten und hatte, an Holtrop vorbei, seine Hand von hinten vertraulich auf die Schulter von Uhls Frau gelegt, die er dabei mit ihrem Spitznamen, »na, Ambra!«, angesprochen hatte, und sie hatte ihren Kopf umgedreht und Wenningrode mit dem exakt gleichen Gaumensegellachen angelacht wie zuvor Holtrop. In diesem Augenblick war ihr Spiel: »Jetzt haben Sie mich kleine Frau aber körperlich sehr stark erschreckt mit Ihrer großen Hand, Sie Mann!« Wenningrode, 55 , ein lascher Sack von Mensch, saß wie Schnur am Tisch des Jubilars. Er überbrachte hier den angeblich ganz witzigen Vorschlag von Asspergs Frau, Uhl nachher mit irgendeinem Holtrop unverständlichen Insiderscherz, der auf eine Idee von Schnur zurückgehe, zu überraschen, was in der Situation vorallem die Funktion hatte, deutlich zu machen, und zwar genau dem von Wenningrode ignorierten Holtrop, in einer wie spielerischen Allianz Wenningrode, Uhl, Kate Assperg, Schnur und Uhls Frau miteinander verbündet waren.
    »Wenningrode muss vernichtet werden«, hatte Holtrop in diesem Moment gedacht, aber er wusste, dass das Unsinn war. Dienstevorstand Wenningrode verantwortete den in der aktuellen Wirtschaftsflaute profitabelsten Konzernbereich, er hatte den Standort Krölpa in zehn Jahren so erfolgreich entwickelt, dass in den dortigen Firmen Mereo Dienste und Securo, unter dem Dach der Arrow PC zusammengefasst, inzwischen genauso viel Umsatz gemacht wurde wie am Assperghauptstandort Schönhausen, und vorallem mit einem weniger konjunkturvolatilen, von Werbeeinnahmen weniger abhängigen Geschäft. In den Vorstandssitzungen sagte Wenningrode nichts, er war ein dröger, biederer, im Geschäftlichen grausig uninspirierter, umso mehr an allen betriebsklimatischen Fragen und Intrigen interessierter Volltrottel, »muss man leider so sagen«, dachte Holtrop, Wenningrode muss deshalb auch nicht vernichtet werden, denn er wird als Volltrottel von selber untergehen. Gegen diese These sprach allerdings der stetige, langsame und, egal wie späte, unwiderstehliche Aufstieg Wenningrodes, der als erster, als vor zehn Jahren Asspergs neue Frau Käthe Schieder, damals Ende vierzig, scheinbar aus dem Nichts aufgetaucht und kurz darauf schon die jetzt so genannte KATE , bitte von allen englisch auszusprechen, Assperg geworden war, mehr als nur höflich von ihr Notiz genommen hatte. Er hatte sich ihr vielmehr sofort intensiv zugewendet, sie als potentiell relevanten Machtpol im Haus Assperg identifiziert, komplimentreich umworben und mit diesem Kalkül recht gehabt. Dabei hatte er wichtige Intrigantengrundregeln strikt beachtet und vorallem dies eine vermieden: je ein schlechtes
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