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JörgIsring-UnterMörd

Titel: JörgIsring-UnterMörd
Autoren: Unbekannt
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»Ich bin darüber im Bilde.«
    Dahlerus bedankte
sich und legte auf. Göring drückte wieder auf ein Knöpfchen und setzte sich auf
den Stuhl, auf dem er gesessen hatte, als Dahlerus gegangen war. Eine Minute
später betrat der Schwede den Salonwagen. Göring sah ihn auffordernd an. Er
war gespannt, wie Dahlerus ihm das ergebnislose Gespräch verkaufen würde.
    »Nun? Was haben sie erreicht?«
    In dem Schweden arbeitete es, das
sah Göring sofort.
    »Was halten Sie davon, wenn Sie sofort nach England fliegen und dort die
Bedingungen einer Verständigung aushandeln? Entscheidend ist, dass Sie
deutschen Boden vor 11 Uhr verlassen. Das wäre ein Signal, das die Briten nicht
einfach ignorieren können.«
    Göring war erstaunt über so viel Einfallsreichtum. In der Unterhaltung mit
dem Foreign Office hatte Dahlerus den Vorschlag nicht mit einer Silbe erwähnt.
Aber er war nicht schlecht. Eine letzte Möglichkeit, seine Rolle bei den
Engländern wieder aufzuwerten. Allerdings musste er Hitler mit ins Boot holen.
    Göring nickte. »Gute Idee. Ich werde General Bodenschatz unterrichten, der
wiederum den Führer informiert. Liegt auch eine Bestätigung der englischen
Regierung vor?«
    Dahlerus Druckste hemm. »Das muss
ich erst noch klären.«
    »Wenn England dazu bereit ist, bin ich es auch.«
    »Darf ich ein weiteres Gespräch
führen?«
    »Sicher.«
    Es war 10.20 Uhr. Dahlerus verschwand, und Göring setzte sich erneut an
seinen Schreibtisch. Er hatte das Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben, so sehr
glichen sich die Gespräche. Wieder musste Dahlerus zwei störrische
Telefonistinnen diesseits und jenseits des Kanals davon überzeugen, ihn
weiterzuverbinden, wieder ebnete ihm der Furor seiner Verzweiflung den Weg. Im
Foreign Office hörte man den Schweden nun freundlicher als noch vor ein paar
Minuten an, offensichtlich hatte man den Mann am Telefon über die Seriosität
des Vermittlers aufgeklärt. Nachdem Dahlerus sein Anliegen geschildert hatte,
bat man ihn um einen Moment Geduld. Die Minuten verstrichen. Göring spürte, wie
auch bei ihm die Anspannung stieg, weil sich unvermutet ein neues Fenster
öffnen konnte.
    Kurz darauf teilte der britische Beamte dem Schweden mit, dass die
englische Regierung erst die Antwort auf ihr Ultimatum abwarten wolle, bevor
sie die Genehmigung zu direkten Gesprächen mit Feldmarschall Göring gebe.
Dahlerus legte resigniert auf. Es war 10.35 Uhr.
    Göring betrachtete versonnen die Decke. Das Fenster hatte sich soeben
geschlossen. Dahlerus kehrte zurück und berichtete dem Feldmarschall, was der
schon längst wusste. Göring hatte keine rechte Ahnung, was er sagen sollte.
Alles war zigfach hin- und hergewälzt, zerkaut, verdaut, wieder ausgeschieden
und erneut zubereitet. Er bat Dahlerus, ihn alleine zu lassen. Dem Schweden
stand der Kummer ins Gesicht geschrieben, aber das ließ sich nicht ändern. Er
drehte sich wortlos um und verließ den Waggon.
    Göring blieb noch eine Weile sitzen. Wie profan ein solch historischer
Moment doch in Wirklichkeit war. Man saß da und wartete. Wie beim Zahnarzt
oder beim Friseur. In der Rückschau aber würde die Uhr des Schicksals ticken,
der Himmel dramatisch blitzen und ein Streichquartett zum finalen Crescendo
ansetzen. Das Leben verzichtete auf solchen Unsinn.
    Göring erhob sich seufzend und ging ebenfalls nach draußen. Im Schatten
einiger Buchen standen ein paar Klappstühle. Er steuerte sie an und ließ sich
in einen hineinfallen. Etwa hundert Meter von ihm entfernt spazierte Dahlerus
auf und ab, alleine, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Obwohl der
Schwede ihn gesehen hatte, machte er keine Anstalten, zu ihm herüberzukommen.
Auch sonst traute sich keiner in Görings Nähe. Er sah auf die Uhr. Es war 10.50
Uhr.
    Ein leichter Windstoß ließ die Blätter über ihm rascheln. Sonnenlicht
sprenkelte den Schatten. Göring hörte Vögel zwitschern, roch frisches Gras und
feuchte Erde. Bilder stiegen in ihm auf, Erinnerungen an unbeschwerte Tage, in
denen die Zukunft unendlich und vielversprechend vor ihm lag. Aber es gelang
ihm nicht, diese Bilder festzuhalten, irgendetwas drängte sich dazwischen wie
eine zweite Haut, die alle Empfindungen dämpfte. Er forschte in sich, konnte es
aber nicht gleich ausmachen, bis es ihm plötzlich wieder einfiel. Es war der
Traum, der ihn immer noch umklammert hielt, der sich über seine Sinne gelegt
hatte wie ein schwarzer Schleier. Carin. Ein Gruß aus der Gruft. Ihn
schauderte.
    Pili Körners
Räuspern
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