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Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung

Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung

Titel: Joel 2 - Die Schatten wachsen in der Daemmerung
Autoren: Henning Mankell
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genommen. Eine Reihe Lämpchen entlang des Bühnenbodens leuchtet rot und gelb. Joel hinter dem Vorhang wird fast geblendet. Jetzt tragen alle Orchestermitglieder rote Jacken. Kringström hat schon ein schweißnasses Gesicht.
    Dann fangen sie an zu spielen. Zu Anfang tanzen nicht viele. Manche Jungen pirschen sich an die Wand der spitzen Gipfel heran, kehren aber wieder um. Joel behält die ganze Zeit die Schwingtüren im Auge, wo Engman die Wolfsmeute in Schach zu halten versucht. Immer noch ist keiner von denen, auf die Joel wartet, gekommen. Es wird langsam eng im Saal. Gedränge an den Schwingtüren. Engman fuchtelt mit den Armen. Jetzt spielt das Orchester ein neues Stück. Das ist schneller. Jetzt tanzen schon mehr. Vor der Tribüne steht ein Trupp Jungen und beobachtet das Orchester. Sie tanzen nicht. Sie stehen nur da und hören zu.
    Da entdeckt Joel Sara und Samuel. Engman fuchtelt mit den Armen, und Sara und Samuel bahnen sich einen Weg durch das Gedränge.
    Hier können sie mich nicht sehen, denkt Joel. Nicht, wenn ich mich hinter einer Birke verstecke.
    Jetzt tanzen sie. Samuel hält Sara umfaßt. Er scheint zu hoppeln. Er streckt den Hintern heraus und schiebt Sara vor sich her. Joel hinter der Birke fängt an zu lachen. So hat er Samuel noch nie gesehen. Er folgt Sara und Samuel mit Blicken und vergißt ganz, die Schwingtüren zu überwachen. Erst als der Tanz zu Ende ist und Samuel sich den Schweiß aus dem Gesicht wischt, fällt Joel ein, daß er aufpassen muß, wer hereinkommt. Das Gedränge an den Türen ist weniger geworden. Den Käsemann und Gertrud kann er nicht entdecken.
    Samuel ist daran schuld, denkt er wütend. Wenn er Sara nicht angeschleppt hätte, hätte er nicht vergessen, die Schwingtüren im Auge zu behalten.
    Jetzt spielt das Orchester wieder. Sara und Samuel tanzen. Joel späht durch das Loch. Plötzlich entdeckt er den Käsemann. Sein Nacken taucht flüchtig zwischen den Tanzenden auf. Aber es ist doch nicht der Käsemann. Es ist jemand anders. Und wo ist Gertrud?
    Sie kommen nicht, denkt Joel. Auch diesmal ist es wieder schiefgegangen…
    Es ist anstrengend, durch das Loch in der Birke zu gucken. Er muß vorgebeugt stehen, um etwas sehen zu können. Als das Orchester aufhört zu spielen, streckt er sich. Er geht weiter vor und guckt neben dem Birkenwald aus den Kulissen heraus. Der fetteste Schlagzeuger der Welt wischt sich den Schweiß aus der Stirn. Kringström legt das Saxophon beiseite und nimmt die Klarinette.
    »Siam Blues«, ruft Kringström. »Macht ihr mit?« Er stampft auf den Fußboden, und Joel stampft auch. Als Kringström den ersten Ton bläst, entdeckt Joel den Käsemann.
    Er steht in dem Haufen vor der Tribüne und sieht zum Orchester herauf.
    Joel zieht sich hastig in den Schatten der Kulissen zurück. Hat er sich wieder getäuscht? Nein, es ist der Käsemann. Er ist gekommen!
    Sehnsuchtsvoll schaut er zum Orchester herauf. Hin und wieder bewegt er die Lippen, als ob er auf einem unsichtbaren Saxophon spielte. Genau wie Joel. Plötzlich dreht er sich um und guckt hinter sich. Er sucht nach Gertrud, denkt Joel. Aber es ist nicht Gertrud, die da gekommen ist. Jemand hat dem Käsemann in den Rücken gestoßen. Er sieht wütend aus. Er schüttelt die eine Schulter, um sich Platz zu verschaffen im Gedränge.
    Dann wird es ganz schwarz vor Joel. Der fetteste Schlagzeuger der Welt hat seinen Hocker ein bißchen verrückt und ist genau vor dem Guckloch gelandet. Joel sieht nichts mehr. Vorsichtig stellt er sich wieder in die Kulissen. Da ist es nicht so gut wie hinter der Birke. Wenn der Käsemann plötzlich den Kopf dreht, kann er Joel bemerken. Und alle Tanzenden auch. Jetzt muß er in mehrere Richtungen gleichzeitig gucken. Man müßte mehr Augen haben, denkt er. Mindestens zehn dazu.
    Als das Orchester eine Pause macht, ist Joel bedrückt. Warum kommt Gertrud nicht, denkt er. Sie muß sich doch gefreut haben über den neuen Brief vom Käsemann. »Was machst du hier?« fragt plötzlich eine Stimme hinter ihm.
    Joel ist erschrocken und springt fast auf die Bühne. Es ist Direktor Engman. Er sieht wütend aus.
    »Was hat ein Kind hier zu suchen?« sagt er und guckt noch wütender. »Das hier ist nur für Erwachsene. Hast du dich reingemogelt?«
    Nichts kann Direktor Engman wütender machen, als wenn sich jemand in den Tanzsaal oder ins Kino mogelt. Joel hat schon viele Geschichten über Engmans Wut gehört.
    »Ich gehör zum Orchester«, sagt er. Er kann nichts dagegen
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