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Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)

Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)

Titel: Joachim Witt - DOM - Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Thomas Bleskin
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sportlich begabten Kameraden. Nur ein
einziges Mal steht Witt verdammt kurz vor einem Disziplinarverfahren: Er
überredet - zusammen mit ein paar ähnlich rebellisch veranlagten Jungs - die
halbe Hundertschaft, mit blondierten Haaren zum morgendlichen Appell
anzutreten. Ein Skandal, der nur deshalb keine Sanktionen nach sich zieht, weil
die Beteiligung zu groß ist. Ein kleiner Triumph für den Teenager Joachim - der
im Gegenzug schließlich lernen muss, wie man 68er Demonstranten
auseinandertreibt. Ihm wird klar, dass er gerade irgendwie auf der falschen
Seite steht. Aber zum Glück dauert der Wehrdienst nicht ewig.

1971 entscheidet sich Joachim, seinem Faible für Fotografie, der zweiten großen
Leidenschaft seiner Jugend, eine Chance zu geben und sich einen entsprechenden
Ausbildungsplatz zu suchen. Bei der Firma Wolffsohn, einem durchaus
renommierten Haus für Industriefotografie, wird er angenommen, aber die
Berufsschule wirft ihn in dieselben verhassten Strukturen zurück, aus denen er
gerade gekommen war. Wieder eingepfercht in einen Klassenraum, wieder abhängig
von Lehrern, wieder unter Zwang - Joachim fühlt sich wie auf einem Viehtransport.
Hinzu kommt, dass Wolffsohn seinen Azubi ohne jeden Respekt behandelt, ihn
häufig anschreit, nicht einmal versucht, seine cholerischen Anfällen im Zaum zu
halten. Für Joachim Witt ist es blanke Hölle, und er kann nicht anders, als
dieser so schnell wie möglich zu entfliehen: Er bricht die Lehre ab.

Joachims musikalische Aktivitäten laufen Anfang der Siebziger weiter auf
Hobbyniveau. Die Scalesmen gibt es nicht mehr; außerhalb der Schule hatten sich
die Mitglieder nicht mehr viel zu sagen und aus den Augen verloren. Auch ist
das Nachspielen angesagter Songs schon lange nicht mehr cool - und manchmal
sogar ungesund, wie Witt bei Probesessions mit einer Soulband in einem
"Haus der Jugend" auf St. Pauli feststellen muss. Beim Imitieren von
Soulgrößen wie Ray Charles, Wilson Pickett oder James Brown bringt Joachim
seine Stimmbänder an den Rand der Zerstörung und entscheidet sich daher, die
Gruppe lieber zu verlassen. Obwohl Witt in dieser Zeit zu Hause seine ersten
eigenen Stücke verfasst, richtet er den Fokus zunächst weiter auf die
Fotografie. Bei PPS, dem Professional Photo Service von Branchenikone F.C.
Gundlach, findet Joachim zum ersten Mal ein Umfeld, das er als angenehm
empfindet. PPS ist zwar ein dicker Fisch und beliefert große Zeitschriften wie
«Brigitte» und »Für Sie», aber die Arbeitsatmosphäre und die
Ausbildungsmethoden erinnern Joachim eher an ein Hippiecamp - das komplette
Gegenteil eines Klassenzimmers.

Der inzwischen 23-Jährige fragt sich allerdings immer wieder, ob ihn der Beruf
auf Dauer glücklich machen kann. Gegen die professionelle Fotografie sprechen
zwei Dinge: Erstens muss man viele technische Einzelheiten lernen, die für die
eigentliche Kunst nur Mittel zum Zweck sind und aus Joachims Sicht seiner
Kreativität im Wege stehen. Zweitens, und das wiegt noch um einiges schwerer,
zeigen sich auch bei PPS im Laufe der Zeit hierarchische Strukturen, die Witts
Auffassung von freiem Arbeiten entgegenlaufen. Als er merkt, dass seine
Tätigkeit - inzwischen als Assistent renommierter PPS-Fotographen - unterm
Strich auch nichts weiter ist als Auftragsarbeit nach strengen Vorgaben,
gesteht sich Joachim ein: Er wird sich niemals anpassen, niemals nur stur
Befehle befolgen. Und genau deshalb ist dieser Job auf lange Sicht für ihn
nicht der richtige. Als Hobby in Ordnung, aber mehr auch nicht. Im Juni 1973
reicht Witt bei PPS die Kündigung ein.

1974 kommt Joachim zum ersten Mal in Berührung mit der Musikindustrie. In einem
Bunker in Hamburg-Hasselbrook hatte er sich mit ein paar Jungs einen Proberaum
eingerichtet - nur zum Zeitvertreib, ohne Bandnamen, ohne konkrete Richtung,
ohne festes Ziel. Bei einer der Sessions kreuzt der über drei Ecken mit einem
der Musiker bekannte Geschäftsführer des Verlags Chappell, Georg Hildebrandt,
auf. Er glaubt fest daran, in Witt ein außergewöhnliches Talent entdeckt zu
haben. Hildebrandt stellt den Kontakt zum Label Metronome Records her, dessen
Geschäftsführer Klaus Ebert einwilligt, mit Joachim eine Single zu produzieren.
«Ich bin ein Mann» singt Witt schließlich auf seiner allerersten Single unter
dem Pseudonym Julian. Die Nummer findet so gut wie keinen Anklang, und selbst
Joachim empfindet den Titel als viel zu schlagerlastig. Aber natürlich hatte
sich Witt trotzdem Hoffnungen
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