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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy
Autoren: Mark O'Sullivan
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gibt, könnte er es nicht mehr zeichnen.
    Ich räume die Küche auf. Unter dem Stuhl, auf dem er gesessen hat, ist alles vollgekrümelt. Auf dem Tisch hat sein Milchglas ein Muster hinterlassen, das an verrutschte olympische Ringe erinnert. Obwohl ich weiß, wie absolut bescheuert das ist, ärgere ich mich darüber. Seit dem Unfall habe ich mich, passend zu Dads »Hausfrau-des-Jahres«-Schürze, von einem ganz normal unordentlichen Menschen in einen Putz- und Aufräumteufel verwandelt. Ich halte es in keinem Zimmer mehr aus, in dem nicht alles blitzblank und fein säuberlich an seinem Platz ist.
    Mam hat mir mal von einer ihrer Klientinnen erzählt, die vom Putzen besessen war. Sie wohnte in der Davitt Street in einem Terrassenhaus, an dem ein öffentlicher Fußweg vorbeiführte. Mindestens einmal in der Woche hat die Frau den Weg geschrubbt, als wäre es der Fußboden in ihrem Haus, und wenn sie dann fertig war, machten sich irgendwelchejungen Typen aus der Gegend einen Spaß daraus, alles wieder einzusauen. Sie kamen mit matschigen Schuhen oder schlichen sich nachts zum Pinkeln hin, und die Frau schaffte es nicht, mit dem Putzen aufzuhören. Inzwischen weiß ich, wie sie sich gefühlt haben muss.
    Ich räume auf, und im Nachbarhaus hat Mrs Caseys Schäferhund Argos einen seiner Jaulanfälle. Dann sind von der Hintertür her gedämpfte Stimmen und polternde Geräusche zu hören. Das können nur Sean und sein Saufkumpel sein. Ich öffne die Tür und sehe Brian zuerst. Er ist groß, hat einen verschlafenen Blick und weiß, dass er gut aussieht. Seine Haare sind sorgfältig nach Art des frühen Bob Dylan gestylt. In unserem Musical, in einem früheren Leben also, hat er die Rolle meines Adoptivvaters gespielt. Jetzt sieht er besorgt aus. In der Dunkelheit hinter ihm pinkelt Sean schwankend gegen die Hauswand. Ich hatte recht mit dem Cider. Ich kann es riechen.
    »War nicht so viel, wie du denkst, Eala«, sagt Brian. Er starrt mich an, und mir geht auf, dass ich ja die Schürze trage. Bescheuert.
    »Alles klar.«
    Sean taumelt gegen seinen besten Kumpel. Den besten Kumpel, der ihm Jill weggeschnappt hat, obwohl er, Sean, es war, der zuerst was mit ihr anfangen wollte. Inzwischen hat der beste Kumpel Jill längst wieder abserviert und ein paar andere hirnlose Tussis noch dazu.
    »Du hast so recht, Mann«, sagt Sean zu Brian. »Ich muss die Ärmel hochkrempeln und … und …«
    »Du kommst hier erst rein, wenn du wieder nüchtern bist«, sage ich, aber er schiebt mich beiseite.
    »Mir geht’s gut, Mann«, sagt er.
    Dieses »Mann« ist ein deutliches Zeichen dafür, dass er gut abgefüllt ist. Brian legt mir die Hand auf die Schulter, als wäre er wieder der neue Dad im Musical.
    Manchmal hasse ich es, so klein zu sein. Und für heute reicht’s mir sowieso. Ich hole aus, um ihm eine runterzuhauen, aber er kriegt mein Handgelenk zu fassen, bevor meine Hand ihn erreicht. Er glaubt, dass er mir wehtut, und ich lasse ihn für ein paar Sekunden in dem Glauben.
    »Entschuldige!«, sagt er, als er mich loslässt, aber irgendwie bleibt er mit den Fingern an meinem Armband hängen, und es reißt. Es ist ein billiges Bändchen mit blauen Perlen, aber ich habe es selbst gemacht und bin sauer. Als er es aufheben will, sage ich ihm, dass er sich verpissen soll.
    »Hau ab!«, sage ich und schlage ihm die Tür vor der Nase zu.
    Sean ist so wackelig auf den Beinen, dass er sich, als wir in der Küche sind, am Tisch festhalten muss.
    »Du bist so ein Arsch, Sean. Mach dir Kaffee! Und putz dir die Zähne, du stinkst aus dem Hals!«
    »Warum wolltest du Brian schlagen?«, fragt er. »Wenn’s ihn nicht gäbe, wär ich gar nicht hier, Mann. Wir zwei haben alles besprochen. Ich weiß jetzt, was ich tun muss. – Wo sind sie?«
    Sein Kopf hängt halb auf der linken Schulter, bis er ihre Stimmen hört. Dann ist es, als hätte ihm jemand einen Eimer Wasser ins Gesicht geschüttet, der ihn schlagartig nüchtern macht. Er reißt die Augen auf, als wäre er irre. Dann bewegt er sich in Richtung Flur, und ich folge ihm, um ihn aufzuhalten. Aber er ist zu stark für mich. Seine Stimme ist jetzt sanft. Weil er auch noch bekifft ist, vermute ich.
    »Es ist okay, Eala«, sagt er. »Ich bin bereit für ihn.«
    »Bist du’s, Sean?«, ruft Mam von unten, als wir die Treppe ins Souterrain hinuntergehen.
    »Du brichst Mam das Herz«, zische ich verzweifelt.
    »Niemals, Mann«, murmelt er. »Sie wird stolz auf mich sein, da kannst du drauf wetten.«
    Ein
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