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Jimmy, Jimmy

Jimmy, Jimmy

Titel: Jimmy, Jimmy
Autoren: Mark O'Sullivan
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zurück, aber man sieht, welche Anstrengung sie das kostet. Sie ist jetzt nicht die Psychologin. Sie ist eine Frau, die sieht, wie ihr Partner Schläge einstecken muss, die er nicht verdient.
    »Wenn es Leute wie dich nicht gäbe, all die miesen kleinen Raffkes, die den Hals nicht voll genug kriegen können, dann wäre dieses Land, wäre vielleicht die ganze beschissene Welt nicht in diesem …« Worauf immer Mam hinauswollte, sie hat den Faden verloren. »… dann steckten wir jetzt nicht in diesem schrecklichen Schlamassel …Wir hätten eine funktionierende Gesellschaft und ein funktionierendes Gesundheitssystem …Wir müssten die Clem Healys nicht von der Straße holen, weil sie die Chancen hätten, die sie genauso verdienen wie jeder andere auch …Wir wären nicht auf die Wohltätigkeit von irgendwelchen reichen Mistkerlen angewiesen, um unsere … unsere …«
    Martin lässt die Stille wirken, bevor er leise zu sprechen beginnt.
    »Hör mir bitte zu, Judy. Die Head-Up-Leute haben schon Spenden für so ein Haus gesammelt, bevor ich überhaupt ins Spiel kam, lange bevor Jimmy den Unfall hatte. Ich konnte die Sache nur beschleunigen, und ich war glücklich, dass ich es konnte. Das ist alles. Und ja, vielleicht war Geld lange das Einzige, was mich interessiert hat, aber sohab ich jetzt wenigstens etwas zu geben …« Er zögert. »… und zwar dem besten Freund, den ich je hatte und den ich vermisse wie … wie Angie … Sogar noch mehr. Ich vermisse ihn mehr als mein eigenes Kind, Judy.«
    Es liegen nur ein paar Schritte zwischen Mam und Martin, aber es ist, als schauten sie einander über all die Jahre hinweg an, die sie sich schon kennen – von den weit zurückliegenden Tagen, als sie verliebte Teenager waren, über die guten und schlechten Zeiten, die darauf folgten, bis zu den schlimmen Ereignissen, die zu diesem frühen Morgen führten, den sie beide kaum ertragen können. Mam stützt die Ellbogen auf den Tisch und legt den Kopf in die Hände.
    »Eala«, sagt sie. »Such Martin einen Pullover raus, er friert. Und schalt die Heizung ein!«
    Ich bin froh, dass ich etwas zu tun habe. Fiona steht vom Tisch auf und geht zu Martin. Sie schlingt die Arme um ihn, und sein Kopf sinkt auf ihre Schulter und bleibt dort. Als ich an Brian vorbeigehe, schaut er mich an. Er macht sich Sorgen um mich und versucht, es durch ein Lächeln zu zeigen. Ich gebe es ihm gern zurück. Ich wünschte, ich könnte ihn umarmen, aber das muss warten. Ich gehe in den Heizungsraum und lege den Schalter für die Heizung um. Der Brenner springt an und röhrt schon wenig später wie ein ferner Sturm. Danach gehe ich hoch in den zweiten Stock.
    Nach dem grellen Küchenlicht tut das Halbdunkel auf der Treppe gut. Im ersten Stock halte ich kurz an und drücke mit den Fingern auf meine geschlossenen Augen, bis ich Sternchen sehe. Dann gehe ich weiter. In Seans Zimmer herrscht das übliche Durcheinander. Die Hälfte seiner Klamotten liegt auf dem Boden, was es immerhin leichtermacht, einen Pullover für Martin zu finden. Ich schaue kurz in mein eigenes Zimmer, wo Tom mit Jill in meinem Bett liegt. Er hat die Finger einer Hand in Jills Haaren vergraben, die andere Hand liegt auf seinem kleinen Fußball. Jill macht keinen Mucks. Ich weiß nicht, wie sie Tom in dem Chaos zum Schlafen gebracht hat, aber ich schulde ihr was.
    Auf dem Weg nach unten sehe ich, dass die Tür zu Dads Arbeitszimmer nur angelehnt ist. Das ist ungewöhnlich. Dann erinnere ich mich, dass wir am Abend alle Zimmer gecheckt haben. Wahrscheinlich hat jemand die Tür in der Eile offen gelassen. Mam oder Sean, ich weiß nicht, wer von ihnen das Zimmer übernommen hatte. Ich selbst war nicht auf dem Stockwerk. Es wäre auch zu irre, wenn Dad sich die ganze Zeit da drin versteckt hätte. Mein Herz klopft bis zum Hals, als ich vorsichtig die Tür aufmache. Ich knipse das Licht an und bin für ein paar Sekunden geblendet.
    Das Arbeitszimmer ist wieder sauber aufgeräumt, die Bücher stehen in den Regalen, die Zeichenblätter liegen an ihrem Platz, ein leeres Blatt ist ans Zeichenbrett gepinnt, die Kappe mit dem Timberland-Logo auf dem Kopf der Schaufensterpuppe zurechtgerückt. Alles wartet darauf, dass er zurückkommt. Und natürlich, in dem Zimmer ist nirgendwo ein Versteck für einen erwachsenen Mann. Hier ist entweder jemand oder nicht, und er ist nicht hier und wird es nie wieder sein.
    Ich setze mich auf den Drehstuhl. Schubs mich an, Daddy, mir wird nicht schwindlig,
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