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Jim Knopf und die Wilde 13

Jim Knopf und die Wilde 13

Titel: Jim Knopf und die Wilde 13
Autoren: Michael Ende
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das!“ erklärte Herr Ärmel mit
wichtiger Miene. „Es ist erhebend. — Gute Nacht, meine Damen und Herren.“
    Damit schritt er zur Tür hinaus, seinem
Hause zu. Der Briefträger folgte ihm, drehte sich aber noch einmal um und rief
zurück: „Übrigens — wegen des kleinen Unfalls, daß ich mit meinem Postschiff
gegen die Landesgrenze gebumst bin, werde ich mich morgen früh bei König Alfons
dem Viertel-vor-Zwölften entschuldigen.“
    Damit ging er in Herrn Ärmels Haus.
Auch Lukas wünschte eine gute Nacht und stapfte, eine Rauchfahne hinter sich
lassend, zu seiner Bahnstation hinüber, wo die kleine Molly neben der großen
dicken Emma stand und friedlich schlief.
    Und bald darauf erloschen alle Lichter
in den Fenstern der Häuser von Lummerland. Seine Bewohner schlummerten in ihren
Betten, der Wind säuselte in den Bäumen, und die großen und kleinen Wellen
rauschten dazu an den Landesgrenzen.
     
     
     
     
     

ZWEITES KAPITEL
 
in dem Jim einen Leuchtturm erfindet, der groß und klein
zugleich ist
     
    Am nächsten Morgen war der Himmel noch
immer trüb und bedeckt.
    Das erste, woran Jim sich beim
Aufwachen erinnerte, war ein seltsamer Traum, den er diese Nacht gehabt hatte.
Er war unter einem hohen Baum gestanden, der ganz dürr und tot war. Es wuchsen
keine Blätter auf ihm, und auch die Rinde war abgefallen, so daß man das
nackte, ausgetrocknete Holz sehen konnte. Der Stamm war zerborsten, als ob er
von vielen Blitzen getroffen worden wäre. Ganz oben in der höchsten Krone der
riesigen toten Baumes hockte auf einem Ast ein unheimlich großer Vogel, der
sonderbar zerrupft und armselig wirkte. Der Vogel saß ganz still, aber aus
seinen Augen rollten fortwährend riesige Tränen, so groß wie Fesselballons, und
fielen herunter. Jim wollte eigentlich weglaufen, denn er hatte Angst, wenn die
großen Tränen bei ihm unten ankommen würden, gäbe es eine Überschwemmung. Da
rief der große Vogel: „Jim Knopf, bitte, lauf doch nicht weg!“
    Jim blieb verwundert stehen und fragte:
„Woher kennst du mich, großer Vogel?“
    „Du bist doch mein Freund“, sagte der
Vogel.
    „Was kann ich denn für dich tun, großer
armer Vogel?“ fragte Jim.
    „Hilf mir von diesem schrecklichen
toten Baum herunter, Jim“, antwortete der Vogel, „sonst muß ich hier umkommen.
Ich bin so allein, so schrecklich allein.“
    „Kannst du denn nicht fliegen?“ rief
Jim hinauf. „Du bist doch ein Vogel.“
    „Aber Jim, erkennst du mich denn nicht
mehr?“ erwiderte der Vogel mit unendlich trauriger Stimme. „Wie soll ich denn
fliegen können?“
    „Hör doch bitte auf zu weinen“, sagte
Jim ganz unglücklich, „deine Tränen sind so schrecklich groß. Wenn sie mich
treffen, werde ich ertrinken. Dann kann ich dir nicht mehr helfen.“
    „Ach, meine Tränen sind nicht größer
als deine“, entgegnete der Vogel. „Schau doch nur einmal hin!“
    Nun hatte Jim aufmerksam eine
herabfallende Träne verfolgt und dabei zu seiner Verwunderung gesehen, daß sie
immer kleiner und kleiner wurde, je tiefer sie kam. Und als sie schließlich auf
seine Hand fiel, spürte er sie kaum, ein so winziges Tröpfchen war sie
geworden.
    „Wer bist du denn, großer Vögel?“
fragte Jim.
    Und der Vogel rief: „Aber so schau mich
doch nur einmal richtig an!“
    Und nun kam es Jim plötzlich so vor,
als ob er klarer sehen könnte, und da war der Vogel gar kein Vogel mehr,
sondern Herr Tur Tur. Und dann war Jim aufgewacht.
    Der Traum ging ihm noch im Kopf herum,
als er mit Frau Waas und der kleinen Prinzessin am Frühstückstisch saß.
    „Bist du mir noch bös wegen gestern?“
fragte die kleine Prinzessin endlich, denn es tat ihr schon leid, daß sie Jim
geärgert hatte. „Gestern?“ antwortete Jim zerstreut. „Warum?“
    „Weil ich ,siehst du wohl’ zu dir
gesagt habe.“
    „Ach“, sagte Jim, „das macht nichts, Li
Si.“
    Erst als Lukas herüberkam und sich
erkundigte, ob sie auch alle gut geschlafen hätten, erzählte Jim seinen
sonderbaren Traum. Als er damit fertig war, sagte Lukas eine ganze Weile gar
nichts, sondern paffte nur dicke Rauchwolken.
    „Tja, der Scheinriese“, brummte er,
„ich muß auch oft an ihn denken. Ohne ihn wären wir damals in der Wüste ,Das
Ende der Welt’ verloren gewesen.“
    „Wie es ihm wohl geht?“ murmelte Jim.
    „Wer weiß“, meinte Lukas,
„wahrscheinlich wohnt er immer noch ganz einsam und allein bei seiner Oase.“
    Nachdem das Frühstück beendet war,
räumte Frau Waas das
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