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Jhereg

Jhereg

Titel: Jhereg
Autoren: Steven Brust
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beginnt, sollten die Vorbereitungen ordentlich erledigt werden. Natürlich kann man auch einfach seine Gedanken auf die Reise schicken, sich auf das erwünschte Resultat konzentrieren und hoffen. Aber auf die Weise sind die Erfolgsaussichten nicht sonderlich gut. Hexenkunst, wenn man sie richtig macht, ist einfach wesentlich befriedigender als Zauberei.
    Als die Kohlen dann auf dem Rost lagen, genau richtig angeordnet, legte ich den Weihrauch dazu. Dann nahm ich die Kerze und starrte lange und eindringlich auf den Docht, damit er Feuer fing. Selbstredend hätte ich auch einen Feuerstein nehmen können, um es in Gang zu setzen, oder sogar Zauberei, aber auf diese Weise kam ich besser in die richtige Stimmung, die richtige Geisteshaltung.
    Ich nehme mal an, daß das Ambiente der Nacht im tiefen Wald der Hexenkunst förderlich war; nur ein paar Minuten, und ich sah Rauch von der Kerze aufsteigen und gleich darauf eine kleine Flamme. Zu meiner Zufriedenheit verspürte ich auch nicht die geistige Erschöpfung, die nach einem größeren Zauberspruch folgt. Es hatte eine Zeit gegeben, und das war noch gar nicht so lange her, da hätte das Entzünden einer Kerze mich schon so sehr geschwächt, daß ich danach nicht einmal mehr zu psionischer Kommunikation in der Lage gewesen wäre.
    Ich lerne, Großvater.
    Dann zündete ich mit der Kerze die Kohlen an und brachte sie durch meine Gedanken dazu, richtig schön zu glühen. Als das Feuer in Gang war, steckte ich die Kerze in die Erde. Der angenehm süße Duft des Weihrauchs drang mir in die Nase. Durch den Kreis aus zerbröselten Gorynthblättern würden streunende Tiere davon abgehalten, die Lichtung zu betreten und mich zu stören. Ich wartete.
    Nach einer Weile – ich weiß nicht genau, wie lange – öffnete ich wieder die Augen. Die Kohlen glühten sachte. Weihrauchduft lag in der Luft. Kein Geräusch drang aus dem Urwald in die Lichtung. Ich war bereit.
    Ich schaute tief in die Glut und begann mit gleichmäßigen Atemzügen den Gesang – ganz langsam, wie ich es gelernt hatte. Jedes Wort, das ich sprach, warf ich aus, sandte es so weit und klar ich konnte in die Wälder. Mein Großvater hat gesagt, daß dies ein alter Spruch ist, der im Osten seit Tausenden von Jahren unverändert benutzt wird.
    Ich rang mit jedem Wort, jeder Silbe, erforschte sie, ließ meine Zunge und meinen Mund auf jedem Klang verweilen, ihn schmecken, und ich zwang mein Gehirn, jeden Gedanken, den ich aussandte, völlig zu begreifen. Immer wenn ein Wort mich verließ, war es in mein Bewußtsein eingeprägt und schien dort eigenständig weiterzuleben.
    Ganz langsam verklangen die letzten Töne in der Urwaldnacht und nahmen ein Teil von mir mit sich.
    Jetzt war ich tatsächlich erschöpft. Wie jedesmal, wenn ich eine Beschwörung von solcher Kraft durchführte, mußte ich aufpassen, daß ich nicht gänzlich in Trance verfiel. Ich atmete gleichmäßig und tief. Wie im Schlaf griff ich den toten Teckla und legte ihn an den Rand der Lichtung, wo ich ihn von meinem Platz aus sehen konnte. Dann wartete ich.
    Schon ein paar Minuten später, glaube ich, hörte ich Flügelschlagen in meiner Nähe. Ich öffnete die Augen und sah am Rand der Lichtung neben dem toten Teckla einen Jhereg, der mich anstarrte.
    Eine Zeitlang schauten wir uns gegenseitig an, dann näherte das Tier sich zaghaft meiner Gabe und biß ein Stückchen davon ab.
    Falls es ein Weibchen war, hatte es durchschnittliche Größe; für ein Männchen wäre es etwas groß geraten. Aber wenn meine Beschwörung funktioniert hatte, dann war es ein Weibchen. Die Spannweite der Flügel maß ungefähr Armlänge, und vom schlangenähnlichen Kopf bis zur Schwanzspitze etwas weniger. Das Tier ließ die gespaltene Zunge über den Nager schießen und jeden Bissen untersuchen, bevor es ein kleines Stück abriß und kaute und verschluckte. Es aß langsam und sah zu, wie ich zusah.
    Als ich merkte, daß es bald fertig sein würde, sammelte ich meine Gedanken für den psionischen Kontakt. Und hoffte.
    Bald geschah es. Ich spürte einen kleinen, forschenden Gedanken in mir, den ich wachsen ließ, bis ich ihn entziffern konnte.
    »Was ist dein Begehr?« ›hörte‹ ich mit erstaunlicher Deutlichkeit.
    Jetzt kam die eigentliche Prüfung. Wenn dieser Jhereg wegen meiner Beschwörung gekommen war, dann saß hier ein Weibchen, mit einem Nest voller Eier, und der Vorschlag, den ich machen wollte, würde es nicht in Angriffslaune versetzen. War es aber nur ein Jhereg,
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