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Jesus von Nazareth: Prolog - Die Kindheitsgeschichten (German Edition)

Jesus von Nazareth: Prolog - Die Kindheitsgeschichten (German Edition)

Titel: Jesus von Nazareth: Prolog - Die Kindheitsgeschichten (German Edition)
Autoren: Benedikt XVI.,
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eigentliche Bedeutung des Wortes chaĩre herauszuhören: Freue dich! Mit diesem Zuruf des Engels – so dürfen wir sagen – beginnt im eigentlichen Sinn das Neue Testament.
    Das Wort kehrt wieder in der Heiligen Nacht im Mund des Engels, der den Hirten sagt: „Ich verkünde euch eine große Freude“ (2,10). Es erscheint – bei Johannes – wieder bei der Begegnung mit dem Auferstandenen: „Sie freuten sich, als sie den Herrn sahen“ (20,20). In den Abschiedsreden Jesu bei Johannes erscheint eine Theologie der Freude, die sozusagen die Tiefe dieses Wortes ausleuchtet. „Ich werde euch wiedersehen, und euer Herz wird sich freuen, und niemand wird euch diese Freude wegnehmen“ (16,22).
    Die Freude erscheint in diesen Texten als die eigentliche Gabe des Heiligen Geistes, als das wahre Geschenk des Erlösers. So ist mit dem Grußwort des Engels der Akkord angeschlagen, der dann weiterklingt durch die ganze Zeit der Kirche hindurch und der inhaltlich ja auch mitgehört werden kann in dem Grundwort, mit dem die ganze christliche Verkündigung bezeichnet wird: Evangelium – frohe Botschaft.
    „Freue dich“ ist zunächst – wie wir gesehen haben – ein griechischer Gruß, und insofern öffnet sich gleich in diesem Wort des Engels auch die Tür zu den Völkern der Welt hin; es deutet sich die Universalität der christlichen Botschaft an. Und doch ist dies zugleich auch ein Wort, das dem Alten Testament entnommen ist und so ganz in der Kontinuität der biblischen Heilsgeschichte steht. Vor allem Stanislas Lyonnet und René Laurentin haben gezeigt, dass in dem Gruß Gabriels an Maria die Prophezeiung ausZef 3,14–17 aufgenommen und vergegenwärtigt ist, die so lautet: „Freue dich, Tochter Zion. Jauchze, Israel! … Der König Israels, der Herr, ist in deiner Mitte.“
    Wir brauchen hier nicht in die Einzelheiten eines Textvergleichs zwischen dem Engelsgruß an Maria und dem Verheißungswort des Propheten einzutreten. Der wesentliche Grund dafür, dass die Tochter Zion jubeln darf, ist in dem Wort ausgesagt: „Der Herr ist in deiner Mitte“ (Zef 3,15.17). Wörtlich heißt es: „Er ist in deinem Schoß.“ Zefanja greift damit zurück auf Worte des Exodus-Buches, in denen das Wohnen Gottes in der Bundeslade als Wohnen „im Schoß Israels“ bezeichnet wird (Ex 33,3; 34,9; vgl. Laurentin, Struktur und Theologie …, a. a. O., S. 75–82). Genau dieses Wort kehrt in der Botschaft Gabriels an Maria wieder: „Du wirst empfangen in deinem Schoß“ (Lk 1,31).
    Wie immer man die Details dieser Parallelen beurteilen mag – eine innere Nähe der beiden Botschaften wird sichtbar. Maria erscheint als die Tochter Zion in Person. Die Zions-Verheißungen erfüllen sich in ihr in unerwarteter Weise. Maria wird zur Bundeslade, zum Ort wirklicher Einwohnung des Herrn.
    „Freue dich, Begnadete!“ Noch ein Aspekt des Grußes chaĩre ist des Bedenkens würdig: der Zusammenhang von Freude und Gnade. Im Griechischen sind die beiden Wörter Freude und Gnade ( chará und cháris ) aus der gleichen Wurzel gebildet. Freude und Gnade gehören zusammen.
    Wenden wir uns nun dem Inhalt der Verheißung zu. Maria wird ein Kind gebären, dem der Engel die Titel „Sohn des Höchsten“ und „Sohn Gottes“ beilegt. Außerdem wird verheißen, dass Gott, der Herr, ihm den Thron seines Vaters David geben werde. Er werde über das Haus Jakobin Ewigkeit herrschen, seines Reiches (seiner Herrschaft) werde kein Ende sein. Dazu kommt dann noch eine Gruppe von Verheißungen, die sich auf das Wie der Empfängnis bezieht. „Der Heilige Geist wird über dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich überschatten. Deshalb wird auch das Kind heilig und Sohn Gottes genannt werden“ (Lk 1,35).
    Fangen wir mit dieser letzten Verheißung an. Von ihrer Sprachgestalt her gehört sie der Theologie des Tempels und der Gottesgegenwart im Heiligtum zu. Die heilige Wolke – die Schechina – ist sichtbares Zeichen der Gegenwart Gottes. Sie verbirgt sein Wohnen in seinem Hause und zeigt es zugleich an. Die Wolke, die ihren Schatten über die Menschen wirft, kehrt dann wieder in der Geschichte von der Verklärung des Herrn (vgl. Lk 9,34; Mk 9,7). Wiederum ist sie Zeichen der Gegenwart Gottes, des Sich-Zeigens Gottes in der Verborgenheit. So wird durch das Wort von der Überschattung mit dem Heiligen Geist die Zions-Theologie des Grußworts aufgenommen. Noch einmal erscheint Maria als das lebendige Zelt Gottes, in dem er auf eine neue Weise unter
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