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Jesus von Nazareth: Prolog - Die Kindheitsgeschichten (German Edition)

Jesus von Nazareth: Prolog - Die Kindheitsgeschichten (German Edition)

Titel: Jesus von Nazareth: Prolog - Die Kindheitsgeschichten (German Edition)
Autoren: Benedikt XVI.,
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den Menschen wohnen will.
    Zugleich deutet sich in der Zusammenschau dieser Verkündigungsworte das Geheimnis des dreifaltigen Gottes an. Es handelt der Vatergott, der dem Thron Davids Beständigkeit verheißen hat und nun den Erben einsetzt, dessen Reich nicht mehr enden wird – den endgültigen Davidserben, den der Prophet Nathan mit diesen Worten vorhergesagt hatte: „Vater will ich ihm sein, und er ist mein Sohn“ (2 Sam 7,14). Der Psalm 2 wiederholt es: „Mein Sohn bist du. Heute habe ich dich gezeugt“ (v. 7).
    Die Worte des Engels bleiben ganz in der alttestamentlichen Frömmigkeit, und doch überschreiten sie sie. Vonder neuen Situation her empfangen sie einen neuen Realismus, eine vorher nicht zu erwartende Dichte und Kraft. Noch ist das trinitarische Geheimnis nicht reflektiert, nicht zur endgültigen Lehre ausgebaut. Es erscheint von selbst durch die im Alten Testament vorgebildete Weise von Gottes Handeln; es erscheint im Geschehen, ohne zur Lehre zu werden. Und ebenso ist das Sohnsein des Kindes nicht ins Metaphysische weitergedacht. So bleibt alles im Bereich jüdischer Frömmigkeit. Aber dennoch sind die alten Worte durch das neue Geschehen, das sie ausdrücken und interpretieren, selbst neu unterwegs, überschreiten sich. Sie empfangen gerade in ihrer Einfachheit eine geradezu bestürzende neue Größe, die sich freilich erst im Weg Jesu und im Weg der Glaubenden entfalten muss.
    In diesen Zusammenhang gehört auch der Name Jesus, den der Engel sowohl bei Lukas (1,31) wie bei Matthäus (1,21) dem verheißenen Kind beilegt. Im Namen Jesu ist das Tetragramm, der geheimnisvolle Name vom Horeb, verborgen enthalten und ausgeweitet zu der Aussage: Gott rettet. Der gleichsam unvollständig gebliebene Name vom Sinai wird zu Ende gesprochen. Der Gott, der ist, ist der gegenwärtige und rettende Gott. Die im brennenden Dornbusch begonnene Namensoffenbarung Gottes wird in Jesus vollendet (vgl. Joh 17,26).
    Die Rettung, die das verheißene Kind bringt, zeigt sich im endgültigen Aufrichten von Davids Königtum. In der Tat war dem davidischen Königreich bleibende Dauer verheißen worden: „Dein Haus und dein Königtum sollen durch mich auf ewig bestehen bleiben; dein Thron soll auf ewig Bestand haben“, so hatte Nathan in Gottes eigenem Auftrag verkündet (2 Sam 7,16).
    Im Psalm 89 spiegelt sich auf erschütternde Weise der Widerspruch zwischen der Endgültigkeit der Verheißung und dem tatsächlichen Zusammenbruch des davidischen Königtums: „Sein Geschlecht lasse ich dauern für immer und seinen Thron, solange der Himmel währt. Wenn seine Söhne meine Weisung verlassen  …, dann werde ich ihr Vergehen mit der Rute strafen … Doch ich entziehe ihm nicht meine Huld, breche ihm nicht die Treue“ (v. 30–34). Darum wiederholt der Psalmist bewegend und nachdrücklich die Verheißung vor Gott, pocht an sein Herz und fordert seine Treue ein. Denn die Wirklichkeit, die er erlebt, ist ganz anders: „Nun aber hast du deinen Gesalbten verstoßen, ihn verworfen und mit Zorn überschüttet, hast den Bund mit deinem Knecht zerbrochen, zu Boden getreten seine Krone … Alle, die des Weges kommen, plündern ihn aus, er wird zum Gespött seiner Nachbarn  … Herr, denk an die Schmach deines Knechtes!“ (v. 39–42.51).
    Diese Klage Israels stand auch in dem Augenblick vor Gott, als Gabriel der Jungfrau Maria den neuen König auf Davids Thron ankündigte. Herodes war König von Roms Gnaden. Er war Idumäer, kein Sohn Davids. Vor allem aber war er durch seine unerhörte Grausamkeit ein Zerrbild jenes Königtums, das dem David verheißen war. Der Engel kündigt an, dass Gott seine Verheißung nicht vergessen hat; dass sie jetzt in dem Kind wahr werden wird, das Maria durch den Heiligen Geist empfangen soll. „Seines Reiches wird kein Ende sein“, sagt Gabriel zu Maria.
    Im 4.  Jahrhundert ist dieser Satz in das Nizänische Glaubensbekenntnis aufgenommen worden – in dem Augenblick, in dem das Königtum Jesu von Nazareth bereits die ganze Welt des Mittelmeerraums umspannte. Wir Christen wissen und bekennen mit Dankbarkeit: Ja,Gott hat seine Verheißung wahrgemacht. Das Königtum des Davidsohnes Jesus reicht „von Meer zu Meer“, von Kontinent zu Kontinent, von einem Jahrhundert zum anderen.
    Freilich – immer bleibt auch das Wort wahr, das Jesus zu Pilatus gesagt hat: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt“ (Joh 18,36). Manchmal in der Geschichte ziehen es die Mächtigen dieser Welt an sich.
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