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Jerry Cotton - 0556 - Das Revolver-Quintett

Jerry Cotton - 0556 - Das Revolver-Quintett

Titel: Jerry Cotton - 0556 - Das Revolver-Quintett
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theoretisch konnte jeder aus dem Hause mit den Kerlen unter einer Decke stecken.
    Ich ließ im Geiste die Einwohner Revue passieren. Ich kannte nicht alle aus diesem großen Haus, aber natürlich hatte ich im Laufe der Zeit die meisten wenigstens gelegentlich gesehen. Und von einigen kannte ich etwas mehr. Da war die nette, alleinstehende alte Dame in der sechsten Etage — sicher vertrauenswürdig, aber eine alte Frau, zu oft allein und deshalb redselig, wenn sie einmal einen trifft. Sie konnte sich verplappern, ohne daß sie es wollte. Ich ging das Einwohnerverzeichnis in Gedanken durch, das unten in der Halle hängt. Und da kam ich auf die einzige Person, die mir absolut sicher erschien: Mr. Peabody, der pensionierte Bankkassierer unter mir. Ich wußte nicht genau, ob er Bankkassierer gewesen war, aber jedenfalls etwas in dieser Preislage, also ein Mann, der ein Leben lang eine Vertrauensstellung innegehabt hatte.
    Abermals ließ ich meine Wohnungstür offenstehen und hastete über die Nottreppe, die trotz aller Fahrstühle im Hause vorhanden sein muß, hinab in das Stockwerk unter meiner Wohnung. Es war schon ziemlich spät, aber ich hoffte, daß Mr. Peabody noch nicht zu Bett gegangen war.
    Auf mein Klingeln stand er fast sofort in der offenen Tür. Er war ein kleines, hageres Männchen mit einer Stirnglatze und einem Kranz schneeweißer Haare.
    »Guten Abend, Sir«, sagte ich höflich. »Es tut mir leid, daß ich Sie so spät noch stören muß. Ich bin Jerry Cotton und wohne eine Etage über Ihnen.«
    »Aber ja«, sagte er und fing an, an seinen langen, hageren Fingern zu ziehen, bis die Gelenke leise knackten. »Natürlich, ja.«
    »Mein Telefon muß eine Störung haben«, fuhr ich fort. »Dürfte ich wohl Ihren Apparat einmal benutzen?«
    Er sah mich groß an. Vielleicht gehörte er zu den Menschen, deren Reaktionsgeschwindigkeit im Alter stark nachläßt. Jedenfalls dauerte es ein Weilchen, bis er zur Seite trat und mir den Weg freigab mit den Worten: »Nun, selbstverständlich können Sie bei mir telefonieren. Ich habe freilich nur ein Einzimmerapartment.«
    Zuerst verstand ich nicht, was er damit sagen wollte. Dann vermutete ich, daß es eine Entschuldigung dafür sein sollte, daß er während meines Anrufs im Zimmer blieb. Mir war es gleichgültig, denn ich hatte ohnedies nicht vor, am Telefon allzu deutlich zu werden. Mein Freund Phil Decker würde auch so verstehen, daß es eine ernste Sache war. Ich wählte also Phils Nummer, während der alte Mr. Peabody .sich an einen runden Tisch setzte, auf dem kleine Spielkarten reihenweise ausgelegt waren. Offensichtlich legte er sich eine Patience.
    »Decker«, brummte eine verschlafene Stimme im Hörer. »Was ist los?«
    »Hier ist Jerry«, sagte ich. »Wenn du schon geschlafen hast, alter Junge, dann steck den Kopf unter die kalte Dusche, damit du wach wirst. Und dann zieh dich an und nimm ein Taxi.«
    »Was ist denn auf einmal los?«
    »Ich brauche dich hier bei mir. Also mach schon.«
    »Lieber Himmel, Jerry, was ist denn passiert?«
    »Das erfährst du, wenn du hier bist. Beeil dich ein bißchen. Und bringe ein Kästchen Zigarren mit.«
    »Ein Kästchen — ach so.« Phil begriff endlich, daß es nicht um einen Jux ging und auch nicht um eine Schachpartie. Man hörte es seiner Stimme an. Sie hatte wieder den gewohnten Klang voll verhaltener Energie. »Ich bin in ein paar Minuten da, Jerry. So long!«
    »Bis gleich«, murmelte ich und legte auf.
    Mr. Peabody hatte die Karo-Dame in der Hand und suchte damit irgend etwas in den Reihen der aufgelegten Karten. Offenbar wollte er andeuten, daß er sich Mühe gegeben hatte, diskret zu überhören, was ich am Telefon gesagt hatte. Ich bedankte mich noch einmal und bezahlte, trotz seines Protestes, die Gebühren für dieses Ortsgespräch. Dann verließ ich ihn. Und ich war überzeugt, daß der gute alte Mr. Peabody eine absolut vertrauenswürdige Seele war.
    ***
    John Samuel Peabody war vorzeitig pensioniert worden. Nach einem arbeitsreichen Leben hatte man ihm den Stuhl vor die Tür gestellt. Als ob man einen lästigen Straßenköter verscheuchte. Gut, ja, er hatte in den letzten zwei Jahren vor der Entlassung ein wenig gekränkelt. Aber war das ein Grund, einen langjährigen Mitarbeiter gleich zu entlassen? Drei Jahre vor der Zeit?
    Peabody schob die Spielkarten zu einem wirren Häuflein zusammen. »Lieber Gott«, seufzte er leise. Er sprach oft mit sich selbst, weil er zu oft allein war. »Lieber Gott! Dieser
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