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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits
Autoren: Meg Cabot
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war, während ich noch im Krankenhaus lag. Mom hatte Dad nämlich vor die Tür gesetzt, weil er mich angeblich hatte »ertrinken lassen«, woraufhin er in das Penthouse gezogen war, das seine Firma in Manhattan angemietet hatte. Dass er eineinhalb Jahre später immer noch dort wohnen würde, hätte er sich damals wahrscheinlich nicht träumen lassen.
    »Es ist viel besser, zu vergeben und zu vergessen, Pierce«, sagte Dad jedes Mal, wenn wir uns sahen. »Dann kann man wieder nach vorne schauen. Aber deine Mutter muss das erst noch lernen.«
    Mir hingegen scheint dieses Vergeben und Vergessen kein besonders gutes Motto zu sein. Jemandem zu vergeben, ermöglicht uns, über Dinge hinwegzukommen, was im Falle meiner Eltern durchaus sinnvoll wäre. Aber wenn wir vergessen, lernen wir nichts aus unseren Fehlern. Und das kann tödlich sein. Wer wüsste das besser als ich?
    Vergeben? Klar, Dad.
    Aber vergessen? Kann ich nicht, selbst wenn ich es wollte. Denn es gibt jemanden, der das nicht zulässt.
    Ich mache Mom keinen Vorwurf, dass sie zu ihrer Geburtsinsel zurückwollte, dorthin, wo sie aufgewachsen ist, selbst wenn es scheißheiß ist hier. Außerdem gibt es viel zu viele Hurrikans, und das Eiland wird möglicherweise von giftigen Chemikalienwolken heimgesucht. Ein wenig stelle ich mir so das Böse aus der Büchse der Pandora vor, das auf die Menschheit losgelassen worden war, unsichtbar und nicht zu greifen. Wenn ich allerdings vor unserem Umzug gewusst hätte, dass der Name dieses Eilands in unserer Sprache »Knocheninsel« bedeutet, und warum die spanischen Entdecker sie so getauft haben, hätte ich Moms Wir-gehen-nach-Isla-Huesos-und-fangen-nochmal-ganz-von-vorne-an-Plan niemals zugestimmt. Umso mehr, weil es ziemlich schwer ist, an genau dem Ort nochmal von vorne anzufangen, an dem man den Kerl zum ersten Mal getroffen hat, der seitdem immer wieder auftaucht und einem das Leben buchstäblich zur Hölle macht. Aber das konnte ich meiner Mutter natürlich nicht sagen. Die Tatsache, dass ich schon einmal auf Isla Huesos gewesen war, sollte unbedingt geheim bleiben. Das war zwar kein »schlechtes« Geheimnis, sondern eines »unter uns Mädchen«, wie Mom es zu nennen pflegte, aber eben ein Geheimnis. Es rührte daher, dass Dad Moms Familie nicht ausstehen kann. Er behauptet nämlich, und das nicht ganz zu Unrecht, dass sie zum Großteil aus Verrückten und Verbrechern besteht und deshalb kein gutes Vorbild für sein einziges Kind abgeben würde. Mom hatte mir das Versprechen abgenommen, ihm nie von unserer Eintagesreise zur Beerdigung ihres Vaters zu erzählen. Damals war ich sieben.
    Ich versprach es und erzählte niemandem, was ich wusste. Vor allem nicht das, was nach der Beerdigung auf dem Friedhof geschah. Ich glaubte auch nicht, es je irgendjemandem erzählen zu müssen, weil Oma bei allem dabei gewesen war, und Omas lassen nicht zu, dass etwas Schlimmes passiert. Schon gar nicht ihren Enkeltöchtern.
    So hing ich auf Moms Party rum, wo ich niemanden kannte außer Alex, Oma und Mom, die alle auf Opas Beerdigung mit mir in derselben Reihe gesessen hatten. Das lag jetzt zehn Jahre zurück, und Moms Bruder war damals noch im Gefängnis gewesen.
    Onkel Chris schien nicht gut mit dem Leben »draußen« zurechtzukommen. Wenn zum Beispiel einer der Kellner vom Catering-Service vorbeikam, um seinen Champagnerkelch aufzufüllen, schrie er jedes Mal: »Zitronenlimonade!« und riss sein Glas weg, sodass der Champagner sich auf die Natursteinfliesen vor dem Swimmingpool ergoss, anstatt einfach zu sagen: »Nein, danke.«
    »Ich trinke keinen Alkohol«, erklärte er dann kleinlaut. »Nur Zitronenlimonade.«
    »Verzeihung, Sir«, gaben die Kellner jedes Mal zurück und blickten wenig erfreut auf die immer größer werdende Pfütze Veuve Cliquot zu unseren Füßen.
    Ich beschloss, Onkel Chris zu mögen, auch wenn Dad mich immer gewarnt hatte, dass er sofort nach seiner Haftentlassung finstere Rachepläne schmieden und versuchen würde, die Weltherrschaft an sich zu reißen. Aber alles, was ich ihn seit seiner Rückkehr nach Isla Huesos hatte tun sehen, war, auf der Couch zu sitzen und wie hypnotisiert den Wetterkanal zu gucken, während er eine Zitronenlimonade nach der anderen in sich hineinschüttete. Er wohnte jetzt bei Oma, die Alex während seiner Gefängnisstrafe aufgezogen hatte, weil Alex’ Mutter weggelaufen war, als er noch ein Baby war und Onkel Chris im Knast saß.
    Trotzdem machte er mir auf eine gewisse Art auch
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