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Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits
Autoren: Meg Cabot
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Also wandte ich mich wieder an Alex: »Manche sagen, sie hätten ein Licht am Ende eines Tunnels gesehen. Keiner von ihnen weiß, was genau dieses Licht gewesen sein soll, aber jeder hat so seine Theorien darüber.«
    »Und die wären?«, fragte Alex.
    In der Ferne grollte Donner, nicht allzu laut. Die Leute drinnen hörten ihn wahrscheinlich gar nicht, bei all dem Gelächter, dem Plätschern des Wasserfalles drüben am Pool und der Musik, die Mom aus den Outdoor-Lautsprechern dröhnen ließ, die sie ausgerechnet in einem superpeinlichen Naturfelsdesign gekauft hatte. Doch ich habe ihn gehört. Kurz zuvor hatte es einen Blitz gegeben, aber keinen Hitzegewitter-Blitz, auch wenn es an diesem frühen Septemberabend in Südflorida genauso heiß war, wie es sonst nur mittags im Juli in Connecticut wurde. Ein Sturm braute sich draußen auf dem Meer zusammen, und er zog in unsere Richtung.
    »Keine Ahnung«, antwortete ich und versuchte mich zu erinnern, was ich darüber gelesen hatte. »Manche glauben, das Licht wäre eine Art Tunnel, der in eine andere spirituelle Dimension führt, die nur den Toten zugänglich ist.«
    »Wie cool«, sagte Alex grinsend. »Die Himmelspforte.«
    »Kann schon sein«, gab ich mit einem Achselzucken zurück. »Die Wissenschaftler sagen allerdings, das Licht wäre eine Halluzination, die das menschliche Hirn erzeugt, weil alle Nervenbahnen gleichzeitig feuern, während sie absterben.«
    Onkel Chris schaute deprimiert drein. »Mir gefällt Alex’ Erklärung mit der Himmelspforte besser«, meinte er.
    Ich wollte Onkel Chris aber gar nicht deprimieren, weshalb ich schnell hinzufügte: »In Wirklichkeit weiß niemand genau, was passiert, wenn wir sterben.«
    »Außer dir«, widersprach er.
    Jetzt fühlte ich mich noch unbehaglicher in meinem zu engen weißen Kleid, denn was ich gesehen hatte, als ich starb, war kein Licht. Nicht mal im Entferntesten. Und die Vorstellung, Onkel Chris anzulügen, gefiel mir nicht. Ich wusste, ich hätte gar nicht erst darüber sprechen sollen, vor allem weil Mom unbedingt wollte, dass am heutigen Abend alles perfekt lief. Nicht nur heute Abend, sondern für alle Zeiten, und ich wollte sie auf keinen Fall enttäuschen.
    Schließlich hatte sie sich förmlich ein Bein ausgerissen, für eine Million Dollar dieses Haus gekauft und als Innenarchitekten einen berühmten Freund aus New York eingeflogen. Für die Gartengestaltung hatte sie eigens einen besonders umweltbewussten Landschaftsgärtner engagiert, der alles mit einheimischen Arten bepflanzte, dazu noch Ylang-Ylang-Bäume und Nachtjasmin, sodass man immer ein bisschen das Gefühl hatte, als würde man an einer Parfümprobe in einem Hochglanzmagazin riechen. Sie hatte mir sogar eines dieser Cruiser-Fahrräder gekauft, komplett mit Klingel und Einkaufskorb, weil ich immer noch keinen Führerschein hatte, mein Zimmer in einem beruhigenden Lavendelfarbton streichen lassen und mich an derselben Highschool eingeschrieben, die sie zwanzig Jahre zuvor besucht hatte.
    »Es wird dir wahnsinnig gut gefallen hier«, sagte sie ständig. »Wir fangen nochmal ganz von vorne an, und alles wird toll, du wirst schon sehen. Ich weiß es.«
    Ich selbst hatte allerdings allen Grund zu der Annahme, dass nicht alles toll werden würde. Aber das behielt ich für mich. Mom war einfach zu glücklich. Für die Party hatte sie einen Catering-Service angeheuert, der die Gäste mit Shrimpscocktails, frittierten Meeresschnecken und Hähnchenspießen verwöhnte. Auf dem Pool hatte sie eine ganze Armada von Citronella-Kerzen in Position gebracht, um die Mücken zu verscheuchen, den künstlichen Wasserfall eingeschaltet und alle Fenster und Terrassentüren weit aufgerissen.
    »Draußen weht so ein angenehmer Wind«, sagte sie und ignorierte die schwarze Gewitterwolke am Himmel einfach. Genauso wie sie die Tatsache ignorierte, dass sie nach Isla Huesos gezogen war, um ihre Forschungen über den Rosalöffler voranzutreiben (der Vogel sieht genauso aus wie ein Flamingo, nur dass sein Schnabel flach und rund ist wie ein Schuhlöffel), obwohl die meisten von ihnen der größten Umweltkatastrophe in der Geschichte der USA zum Opfer gefallen waren; und die Tatsache natürlich, dass ihre aufgeweckte, tierliebe Tochter kürzlich verstorben, wieder zu den Lebenden zurückgekehrt und seitdem nicht mehr dieselbe war.
    Deshalb war auch die Ehe meiner Eltern den Bach runtergegangen, obwohl das Scheidungsverfahren eigentlich bereits in die Wege geleitet worden
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