Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits

Jenseits

Titel: Jenseits
Autoren: Meg Cabot
Vom Netzwerk:
groß empfindlich sein deswegen.« Dann sah er mich an. »Pierce«, fuhr er mit leicht sarkastischem Unterton fort, »macht es dir immer noch was aus, darüber zu sprechen, dass du vor mittlerweile fast zwei Jahren gestorben und wieder zurückgekommen bist?«
    Ich versuchte zu lächeln. »Es macht mir nichts aus«, log ich.
    »Sag ich’s doch«, meinte Alex zu seinem Dad. Und zu mir meinte er: »Also, hast du jetzt ein Licht gesehen oder nicht?«
    Ich atmete erst einmal tief durch und gab dann etwas zum Besten, das ich im Internet gelesen hatte: »Praktisch alle NTE s sagen, dass sie etwas gesehen haben, als sie gestorben sind, die meisten eine Art Licht.«
    »Was ist ein NTE ?«, fragte Onkel Chris und kratzte sich unter seiner Isla-Huesos-Anglermütze am Kopf.
    »Jemand, der eine Nahtod-Erfahrung gehabt hat«, erklärte ich und wünschte mir, ich könnte mich auch kratzen unter dem weißen Sommerkleidchen, das Mom mir extra für den heutigen Abend gekauft hatte. Um die Brust herum war es einfach zu eng. Doch ein solches Verhalten schickte sich vermutlich nicht, auch wenn Onkel Chris und Alex eigentlich zur Familie gehörten.
    »Ah«, erwiderte Onkel Chris. » NTE . Jetzt verstehe ich.«
    Wie ich gelesen hatte, kann sich die Persönlichkeit eines NTE dramatisch verändern, wenn er versucht, wieder zurück in sein altes Leben zu finden, nachdem er, nun ja, gestorben war. Es gibt Berichte von Pfingstpredigern, die dem nächsten Rockerclub beitraten, nachdem sie frisch von den Toten zurückgekehrt waren. Während in schwarzes Leder gekleidete Biker nicht selten schnurstracks zur nächsten Wiedergeburtskirche rannten.
    Alles in allem, fand ich, hatte ich eigentlich noch ganz gut die Kurve gekriegt. Nachdem ich jedoch die Unterlagen durchgelesen hatte, die meine alte Schule meinen Eltern hatte zukommen lassen, damit diese sich auf die Suche nach »einem alternativen Ausbildungsweg« für mich machten – was deren Art war, meinen Eltern höflich mitzuteilen, ich würde nach »dem Zwischenfall« vom letzten Herbst der Schule verwiesen –, musste ich erkennen, dass die Westport Academy for Girls da anscheinend anderer Meinung war:
    »Pierce neigt dazu, sich aus dem Unterrichtsgeschehen auszuklinken. Manchmal driftet sie einfach ab, und wenn sie sich doch einmal dazu bequemt, aufzupassen, konzentriert sie sich oft krampfhaft auf Details, die leider nicht immer etwas mit dem Thema des Unterrichts zu tun haben. Ein Intelligenz- sowie TOVA -Test seien Ihnen hiermit dringend empfohlen«, stand da zu lesen.
    Aber dieser Bericht war mitten im Semester, direkt nach meinem Unfall, geschrieben worden – über ein Jahr vor dem Zwischenfall –, und ich hatte damals Wichtigeres zu tun, als meine Hausaufgaben zu machen. Die Idioten haben mich sogar aus Schneewittchen und die sieben Zwerge rausgeschmissen, dem Schultheaterstück. Eigentlich hätte ich die Hauptrolle spielen sollen. Wie hatte es der Theatergruppen-Leiter nochmal ausgedrückt? Ach ja: Er meinte, ich würde mich wohl ein wenig zu sehr mit dem armen, untoten Schneewittchen identifizieren.
    Ich weiß nicht, wie ich damals etwas daran hätte ändern können. Es war nicht nur so, dass ich ebenfalls gerade gestorben war, dank meines Vaters war ich auch so reich wie eine Prinzessin aus dem Märchen geboren worden: Er ist der CEO , also der Geschäftsführer eines der weltgrößten Zulieferer für die Öl-, Gas- und Militärindustrie (die Firma kennt jeder, sie war oft in den Nachrichten, vor allem in letzter Zeit). Und dank meiner Mutter sehe ich auch noch aus wie eine, denn von ihr habe ich den zierlichen Körperbau, das dichte schwarze Haar und die großen dunklen Augen. Leider habe ich auch das Herz meiner Mutter geerbt, das zart und zerbrechlich ist wie das einer Prinzessin. Und das war es, was mich schließlich umgebracht hat.
    »War es am Ende eines Tunnels?«, wollte Alex weiter wissen. »Das Licht, meine ich. Das behaupten die Leute doch immer.«
    »Deine Cousine ist nicht in das Licht gegangen«, sagte sein Vater. Mittlerweile sah er doch etwas besorgt aus unter seiner Anglermütze. »Hätte sie das getan, wäre sie heute Abend nicht hier. Und jetzt hör auf, sie zu belästigen.«
    »Schon okay«, meinte ich mit einem Lächeln zu Onkel Chris. »Die Fragen machen mir nichts aus.« Das taten sie in Wirklichkeit aber doch, aber mit Onkel Chris und Alex hier im Garten rumzustehen, war immer noch besser als drinnen mit einem Haufen von Leuten, die ich nicht einmal kannte.
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher