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Jenseits von Uedem

Jenseits von Uedem

Titel: Jenseits von Uedem
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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öffnete, schluckte Toppe schwer, aber als die Organe entnommen und eingehend untersucht wurden, konnte er schon wieder hinschauen.
    »Willst du mal sehen, wie ein gesunder Herzmuskel aussieht?«
    Toppe ließ sich erklären. »Und so eine Nichtraucherlunge ist richtig ästhetisch, nicht wahr?«
    Nach anderthalb Stunden zog Bonhoeffer die Handschuhe aus, wusch sich die Hände mit Desinfektionsmittel und meinte: »Was jetzt kommt, ist für dich ausgesprochen langweilig. Ich muß den Magen- und Darminhalt, das Blut und den Urin untersuchen. Nach dem Zustand der Leber und der Nieren und wegen ein paar anderer Merkmale kann ich eine Medikamentenintoxikation ausschließen. Das sieht mir nach was Spannendem aus. Es ist eine ziemliche Fisselsarbeit, und ich brauche eine Portion Glück. Drück mir die Daumen.« Seine Augen blitzten unternehmungslustig.
    »Dann will ich dich mal lieber alleine lassen. Rufst du mich an, wenn du ein erstes Ergebnis hast?« wollte sich Toppe verabschieden.
    »So eilig hab' ich's ja nun auch wieder nicht. Der Sonntag ist sowieso kaputt. Komm, laß uns den obligatorischen Calvados trinken.«
    Bonhoeffer nahm Toppe mit in sein winziges, fensterloses Büro. Dort holte er die Calvadosflasche aus dem Schreibtisch, goß zwei große Schnapsgläser voll und schob Toppe eins rüber.
    »Prost!«
    »Prost«, erwiderte Toppe, trank und schüttelte sich. Er mochte eigentlich keinen Calvados, aber dieser eine nach jeder Sektion war zu einer Art Ritual geworden.
    »Du siehst schlecht aus«, meinte Arend unvermittelt.
    Toppe nickte nur.
    »Bist du heute abend zu Hause?«
    »Wahrscheinlich«, erwiderte Toppe vage. Er wußte nicht so genau, ob er die Einmischung wollte.
    »Hast du was gegen Besuch?«
    »Sofia und du?«
    »Nein, nur ich«, sagte Bonhoeffer ernst.
    »Okay«, nickte Toppe.

    Frau te Laak sah elend aus, und man konnte auch heute noch nicht allzuviel mit ihr anfangen. Nein, sie wisse wirklich nicht, wohin ihr Sohn gestern nachmittag gefahren sei. Es sei niemand bei ihm im Büro gewesen; es kämen überhaupt nur selten Leute. Über Probleme habe er nicht gesprochen; er hätte keine gehabt. Als Astrid einen möglichen Selbstmord ansprach, wurde die Mutter giftig. »Sind Sie nicht gescheit? Mein Junge hatte es doch gut!« Nein, er habe keine Freundin gehabt. »Mein Sohn war sehr schüchtern. Leider - ich habe mir immer eine nette Schwiegertochter gewünscht.«
    Das wagte Astrid zu bezweifeln: Gerd te Laak hatte nicht mal ein eigenes Zimmer gehabt; er hatte sich mit seiner Mutter das Ehebett geteilt.
    Astrid sah sich das Büro an. Anscheinend hatte te Laak seine Informationen und Berichte hauptsächlich im Computer gespeichert, denn sie fand keine Karteikästen, nur ein paar Aktenordner mit Versicherungskram und eine Kiste voller Fotos, die vielleicht etwas mit seiner Detektivarbeit zu tun hatten. Na prima! Sie war die einzige im Team, die sich mit einem PC auskannte, und sie sah sich schon mit roten Augen Stunde um Stunde vor dem Bildschirm hocken.
    Die Schreibtischlade war abgeschlossen. »Wissen Sie, wo der Schlüssel ist?« fragte Astrid die Mutter, die die ganze Zeit argwöhnisch in der Tür gestanden hatte. Die Frau zögerte einen Moment, ging dann zu einem Regal, zog ein Buch vor und fischte den Schlüssel heraus.
    In der Schublade lag ganz vorn ein Stapel großkotziger Visitenkarten, dunkelgrün mit Goldschrift, die te Laak als »Privatermittler« auswiesen, daneben ein Terminkalender und ein Adreßbuch. Astrid entdeckte die Telefonnummern mehrerer einschlägiger Clubs. Schwul war er also wohl nicht gewesen. Weiter hinten in der Lade fand sie ein paar Pornomagazine, die man bestimmt auch heute noch nur unter dem Ladentisch bekam, und eine Menge kleiner Notizzettel mit kurzen Sätzen oder auch nur einzelnen Wörtern. Te Laak hatte eine ausgeprägt kindliche Handschrift gehabt. Außerdem fand Astrid einen breiten, silbernen Freundschaftsring mit Sternzeichengravur, einen Dreierpack Kondome und zwei verschiedene Stapel Briefe, jeweils mit rotem Gummiband gebündelt. Sie sah sie flüchtig durch. Der erste Packen, hellblaues Luftpostpapier, kam von einer gewissen Mei Li aus Thailand. Die Briefe waren in ungelenker Handschrift und dürftigem Englisch verfaßt. Der letzte war keine vier Wochen alt. Das andere Bündel trug bundesdeutsche Briefmarken und war ein ganzes Stück älter. Offenbar hatte te Laak doch einmal, als er bei der Bundeswehr war, eine Freundin gehabt. Es war eine Klever Absenderin, und
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