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Jenseits von Uedem

Jenseits von Uedem

Titel: Jenseits von Uedem
Autoren: Hiltrud Leenders , Michael Bay , Artur Leenders
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wollen. Alles ausrangiert, weil es nicht mehr gut genug gewesen war. Toppe hatte in den letzten Wochen nichts getan außer arbeiten und fernsehen, essen und schlafen.
    »Na ja«, grinste er in sich hinein, »wenigstens hat mein Leben in letzter Zeit einen Rhythmus gekriegt.«
    Alle wußten von seiner Trennung, aber keiner sprach ihn darauf an. Mit Gabi hatte er seit sechs Wochen kein Wort gewechselt, dabei war so viel zu regeln. Und Astrid? Ach, Scheiße! Es reichte, Schluß mit dem Selbstmitleid! Er mußte sich endlich in den Hintern treten und sein Leben neu sortieren.
    Astrid war nicht zu Hause, also versuchte er es im Präsidium. Sie nahm sofort ab.
    »Was machst du denn da schon so früh?« fragte er.
    Sie lachte. »Bin eben ein pflichtbewußter Mensch. Ich schreibe den Bericht.«
    »Arbeitet der ED auch?«
    »Nur van Gemmern. Kommst du gleich?«
    »Nein, noch nicht. Bonhoeffer hat gerade angerufen. Ich fahr raus zur Pathologie. Und was hast du noch vor?«
    »Ich wollte noch mal mit der Mutter sprechen und mir te Laaks Zimmer und das Büro ansehen.«
    »Ja, mach das. Aber tu nicht zuviel. Vielleicht ist er ja doch eines natürlichen Todes gestorben.«
    »Oder es war Selbstmord ...«
    »Eben. Astrid ...« Er zögerte.
    »Ja?«
    »Ich hab' dich wirklich sehr gern.«
    »Ich weiß, Helmut«, sagte sie traurig und legte auf.

    Arend Bonhoeffer stand groß und schlank mit seiner weißen Gummischürze in der Tür zur Prosektur und sprach mit seinem Sektionsgehilfen.
    »Da bist du ja!« schüttelte Bonhoeffer Toppe die Hand.
    »Dann fangen wir jetzt mal an. Willst du dich wieder da hinten in die Ecke setzen?« grinste er.
    »Spotte du nur«, antwortete Toppe. »Nein, ich werde mich nicht in die Ecke setzen. Diesmal gucke ich zu.«
    Bonhoeffer zog überrascht die Brauen hoch, sagte aber nichts.
    Toppe kämpfte mit seiner Übelkeit, drehte sich jedoch beherzt zu dem Stahltisch um und zwang sich, den Leichnam anzuschauen. Am Tatort fiel ihm das doch meistens überhaupt nicht schwer.
    Der tote Körper lag auf dem Rücken, den Kopf leicht nach hinten gekippt, und die starke Lampe über dem Tisch ließ jedes Körperhaar, jede Narbe, jeden Pickel unnatürlich klar hervortreten. Toppes Blick fiel auf die klobigen Instrumente auf dem Rollwagen: große Messer und grobe Sägen, die so gar nicht medizinisch wirkten, und er schauderte.
    Arend Bonhoeffer nahm sein Diktaphon: »Dreiundvierzigj ährige männliche Leiche in leicht adipösem Ernährungszustand; Muskulatur normal entwickelt; Haarfarbe mittelblond, Scheitel rechts. Augenfarbe?«
    Der Assistent hob mit einer Pinzette die Augenlider des Toten an. »Blau«, sagte er.
    »Reizlose, ca. drei Zentimeter lange Appendektomienarbe«, fuhr Bonhoeffer fort. »Zahnstatus ...«
    Toppe hörte nicht mehr zu. Die Prosektur hatte die Intimität einer Bahnhofshalle; weiße Kacheln an den Wänden, auf dem Fußboden. Die Decke konnte einen neuen Anstrich vertragen.
    »Vermutlich postmortal aufgetretene Unterschenkelbrüche beidseits«, diktierte Bonhoeffer.
    Toppe stutzte.
    »Wahrscheinlich war der Sarg mal wieder zu kurz«, erklärte Bonhoeffer trocken. Dann streifte er sich die Handschuhe über. »Du kennst das ja alles schon, Helmut. Ich will dich nicht, lange mit der üblichen Routine langweilen. Auch wenn wir annehmen, daß es sich hier um eine Vergiftung handelt, muß ich die ganze Palette machen.«
    Er ging langsam um den Toten herum, drehte ihn dann auf die Seite und untersuchte auch den Rücken, der dunkel war von den Totenflecken. »Keine äußeren Verletzungen, keine Einstichstellen, keine Schädelverletzung«, diktierte er.
    Toppe entspannte sich langsam. Arends Sachlichkeit machte es ihm leicht, und er stellte erstaunt fest, daß sein Interesse wuchs und die Übelkeit abnahm.
    »Körperöffnungen«, nickte Bonhoeffer seinem Gehilfen zu.
    Der Mann öffnete den Mund des Toten. »Mund geschlossen, Lippeninnenseite unverletzt, keine Ätzspuren, Erbrochenes«, sagte der Assistent knapp, nahm dann eine Art Löffel, holte eine Probe aus der Mundhöhle und gab sie in ein Becherglas, das er beschriftete.
    Inzwischen machte Bonhoeffer weiter: Nase, Ohren, Genital, After. Er entnahm eine Stuhlprobe.
    »Eigentlich müßte ich mich um die Eingrenzung der Todeszeit ja nicht weiter kümmern«, meinte er, diktierte dann aber:
    »Totenstarre voll ausgeprägt; Verschwinden der Totenflecken auf Fingerdruck und beim Umlagern. Keine Hornhauttrübung.«
    Als Bonhoeffer den Brust- und Bauchraum
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