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Jenseits des Protokolls

Jenseits des Protokolls

Titel: Jenseits des Protokolls
Autoren: Bettina Wulff , Nicole Maibaum
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mehr mit meinen Söhnen in den Tag hinein leben. Ich denke manchmal, dass sowohl Leander als auch Linus nicht ohne Grund so häufig krank waren.
    Gerade Leander hat in den vergangenen zwei, drei Jahren eine Autonomie entwickelt, die mich manchmal hat erschrecken lassen. Viel zu oft habe ich Ereignisse erst im Nachhinein erfahren, durch andere Eltern, durch Lehrer oder Mitschüler, die bei uns zu Hause waren. So zum Beispiel, dass Leander in der Schule an einem Vorlesewettbewerb teilgenommen hat, wo er den zweiten Platz belegte. Als ich ihn darauf ansprach sagte er zu mir: »Na, du warst halt nicht da. Da konnte ich es dir nicht erzählen.« Genauso der Punkt, dass er sich scheute, mir zu sagen, wann sie eine Klassenarbeit schrieben, und dass er eigentlich gerne mit mir dafür noch lernen würde. Zumeist rückte er damit wirklich erst am Abend zuvor heraus, kurz vor dem Schlafengehen. Fragte ich ihn dann, warum er mir das so spät erzählte, meinte er, dass ich doch eh keine Zeit habe, total im Stress sei und er mich nicht noch mehr belasten wollte. Er dachte, er würde das schon irgendwie hinbekommen und zumeist hat er tatsächlich trotzdem eine gute Note geschrieben.
    Leander ist wirklich ein ganz großartiger Junge, er hat es verdient, dass ich als Mutter mehr für ihn da bin. Und dies möchte ich auch, weil ich weiß, dass er eine enge Bezugsperson braucht und dabei auch meine Eltern eine große Rolle für ihn spielen. Natürlich ist das schön und auch ein Stück weit normal, dass man als Kind seiner Oma oder seinem Opa Dinge anvertraut, die man den eigenen Eltern verschweigt, und dass die Großeltern einen anderen Status für ein Kind einnehmen als die Eltern. Aber es bedrückt mich auch. Denn selbstverständlich möchte ich als Mutter zu meinen Kindern ein enges Vertrauensverhältnis haben und sie sollen mir das erzählen können, was sie beschäftigt und bedrückt. In den vergangenen Jahren ist da Einiges an mir vorbeigegangen.
    So gesehen ist die oberste Priorität für Christian und mich, die nächsten Jahre überwiegend selbstbestimmt und nicht fremdbestimmt leben zu wollen. Und mindestens in den kommenden drei bis fünf Jahren wird Großburgwedel daher sicher auch der Standort sein, wo wir bleiben werden. Gerade die Kinder brauchen jetzt etwas Ruhe und vor allem Beständigkeit. Ich würde ihnen nicht zumuten wollen, in absehbarer Zeit schon wieder den Wohnort zu wechseln.
    Aber es gibt auch noch andere Gründe, warum ich die nächsten Jahre in Großburgwedel bleiben möchte. So fühle ich mich auch meinen Eltern gegenüber verantwortlich. Mein Vater ist jetzt 73 Jahre, meine Mutter 69. Sie kommen in ein Alter, wo ich feststelle, dass sich die Gewichtung des Gebens und Nehmens verändert. Bis jetzt war es so, dass ich etwas einfordern konnte und dies auch getan habe. Gerade eben wenn es um die Betreuung von Leander und Linus ging. Aber langsam verschiebt sich das Verhältnis und dies wird wahrscheinlich in den nächsten Jahren zunehmen.
    Ich möchte für meine Eltern da sein, wenn sie mich brauchen. Das bin ich ihnen nicht nur schuldig, sondern ich tue es auch aus vollster Überzeugung und aus Liebe. Ich weiß, dass meine Eltern nie einfordern würden, dass ich für sie da bin. Aber für mich ist das eine Selbstverständlichkeit, die aus meiner Sicht auch ein Großteil von »Familie« ausmacht.
    Ich denke, dass Anfang oder Mitte nächsten Jahres das größte Interesse an uns als Familie endlich vorbei ist. Darauf hoffe ich und davon gehe ich jetzt erst einmal aus. Es hat sich dann wahrscheinlich ein gewisser Abstand zu dem Thema gebildet, die Lage wird sich beruhigt haben und wenn Joachim Gauck ein Jahr im Amt ist, werden sich die Dinge sicherlich eingefahren haben. So wie man über die sehr kunstinteressierte Christina Rau hin und wieder etwas liest, weil sie auf eine Vernissage gegangen ist, oder über Eva Luise Köhler, weil sie auf einer Veranstaltung für ihre Stiftung gesehen wurde, wird man dann auch mich hier und da, zum Beispiel bei Veranstaltungen für die Stiftung »Eine Chance für Kinder« sehen und darüber berichten. Ich werde versuchen, es selbst zu bestimmen, wie viel ich von meinem Leben preisgebe und zeige und was ich der Öffentlichkeit entziehe, weil mein Leben einfach nur mein Leben ist.

»Mama, arbeitest du eigentlich schon immer als PR-Frau?«
    Nie, wirklich nie im Leben möchte ich, dass mein Sohn Leander oder mein Sohn Linus die Identität meiner Person infrage stellen muss und
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