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Jenseits des Protokolls

Jenseits des Protokolls

Titel: Jenseits des Protokolls
Autoren: Bettina Wulff , Nicole Maibaum
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dass auch sie glaubte, für mich und aber vor allem für uns als Paar mit den beiden Kindern sei es besser, wenn damit hoffentlich bald wieder Ruhe in unser Leben zurückkehren würde. Ganz Ähnliches sagten meine Freundinnen Josefine und Stephanie. Seltsamerweise war ich selbst bei all diesen Gesprächen recht emotionslos. Zu oft hatte ich zuvor schon diese Szenarien und Momente mit den Worten im Kopf durchgespielt. Ich hätte bereits früher als mein Mann das Handtuch geworfen.
    An die Medien wurde die Information geschickt, dass Christian am Freitag, den 17. Februar, um 11 Uhr Stellung nehmen wolle. Gemeinsam mit seinem Staatssekretär, seiner Büroleiterin, einem befreundeten Anwalt und seiner Pressesprecherin feilte er dafür an seiner Rücktrittsrede. Als er mir am Vorabend in seinem Arbeitszimmer den ersten Entwurf vorlas, war ich leicht genervt. Ich war des ganzen aufgesetzten Prozederes überdrüssig und müde. Warum konnte er nicht einfach nur sagen: »Ich trete zurück!«, und der Drops war damit gelutscht. Nein. Stattdessen wurde jedes Wort dreimal überdacht, es wurde erklärt und analysiert. Ich dagegen hätte die Rede so kurz wie möglich gehalten. Denn ich war es einfach leid.
    Es war ein komisches Gefühl, an jenem Freitag, dem 17. Februar 2012, morgens gegen 7 Uhr aufzuwachen, aufzustehen und zu wissen, dass dieser Tag dem Leben eine andere Richtung geben wird und es kein Zurück gibt. Kein Zurück in das Leben als Frau des Bundespräsidenten, aber auch kein Zurück in das Leben, was ich davor geführt habe. Es würde anders werden und zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht recht, wie dieses »anders« aussehen wird. Ich schickte Leander an diesem Tag nicht zur Schule. Ich wollte ihm ersparen, dass Lehrer oder Mitschüler ihn schräg von der Seite anschauen oder gar mit Fragen oder Kommentaren zu der Situation seines Stiefvaters nerven. Für Linus hatte ich unsere Kinderfrau bestellt.
    Als Christian mir gegen 10.30 Uhr ein zweites Mal seine Rede vorlas, spürte ich in mir eine innere Leere. Ich wollte das alles nur möglichst schnell über die Bühne bringen und dies mit größtmöglicher Fassung, stark und aufrecht. Zudem war mir übel, das war ja klar, denn selbstverständlich war ich auch aufgeregt und zugleich absolut übernächtigt und ausgepowert. Und: Mich nervte der Gedanke, dass ich mich wenige Minuten später vor die Masse an Journalisten stellen musste, die zu wenig unterschied zwischen mir und meinem Mann. Natürlich waren Christian und ich in Berlin ein Team. Aber deswegen wollte ich mich nicht selbstverständlich als untrennbares Doppelpack über einen Kamm scheren lassen. Gerade auch deswegen nicht, weil ich doch sowieso nichts sagen durfte. Warum sollte ich mich da mit hinstellen? Dass ich also tatsächlich mit hinausgegangen bin und mich noch einmal der Öffentlichkeit als Frau des Bundespräsidenten präsentierte, habe ich in erster Linie für meinen Mann getan. Ganz bewusst aber stellte ich mich ein Stück weit entfernt von Christian, um so zu zeigen: Ich bin eine eigenständige, selbstständige Frau.
    Christians Rede dauerte knapp dreieinhalb Minuten. Es war ein seltsamer Moment für mich, den anderen, meinen Mann, sprechen und sich verabschieden zu hören, und selbst nur schweigend neben ihm zu stehen. Ich sollte alles mittragen, mit ertragen, alles mit erleiden, aber letztlich, wo es nun zu Ende war, blieb mir nur die Besetzung als die stumme Statistin. Zwar haben gut vier Wochen später bei der Vereidigung von Joachim Gauck als neues Staatsoberhaupt sowohl Angela Merkel wie auch Horst Seehofer mir für meine Arbeit gedankt, und dies tat gut, aber in diesem Moment, beim offiziellen Rücktritt, durfte ich nicht zu Wort kommen. Dabei hätte ich durchaus gerne ein paar Dinge gesagt. Zum Beispiel ob die Menschen, diese Medienmeute, die da vor mir kniete und stand, sich auch nur einmal ansatzweise darüber Gedanken gemacht hat, welche Auswirkungen die gesamten Anschuldigungen auf ein Familienleben haben. Dass ich als Person nicht nur die Gattin des Bundespräsidenten war, sondern bei alledem auch ein ganz privater Mensch, der Gefühle und vor allem eine Würde hat. Ich hätte mich aber auch gerne bei all den Menschen bedankt, die ich in einem positiven Zusammenhang, beispielsweise bei den zahlreichen Hilfsorganisationen, kennengelernt habe und gesagt, wie bewundernswert ich es finde, dass sie einen Großteil ihrer Freizeit investieren, um sich für eine bestimmte Sache zu
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