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Jenseits des Protokolls

Jenseits des Protokolls

Titel: Jenseits des Protokolls
Autoren: Bettina Wulff , Nicole Maibaum
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ich keine, die dann aufgibt oder sich vom Acker macht. Ich wusste, dass wir das nur gemeinsam schaffen können. Wie sehr jedoch eben auch Leander und Linus unter der Situation haben leiden müssen, wurde Christian erst im Nachhinein bewusst. Damals aber war er so konzentriert und fokussiert auf sein Amt und die Probleme, er wollte kämpfen. Er war überzeugt davon, dass die Vorwürfe unhaltbar waren. Daher wollte er nicht klein beigeben und der Gegenseite, der Presse den Triumph überlassen.
    Dann aber kam dieser Donnerstagabend des 16. Februar 2012, als die Staatsanwaltschaft Hannover beantragte, die Immunität von Christian als Bundespräsidenten aufzuheben. Hintergrund war ein Bericht der Bild -Zeitung gut eine Woche zuvor, am 8. Februar, in dem es um angebliche Manipulationsversuche beziehungsweise einen angeblich von David Groenewold bezahlten Kurzaufenthalt in einem Sylter Hotel ging. Gegen die Art der Berichterstattung wurden später zwar Richtigstellungen durchgesetzt, aber sie führte die Staatsanwaltschaft Hannover zur Einschätzung, Ermittlungen wegen Vorteilsnahme und Vorteilsgewährung durchführen zu müssen. Das Groteske daran: Diese Nachricht stand schon auf dem Newsticker der Bild -Zeitung, bevor wir es wussten. Nicht nur aus historischer Sicht hatte die Situation damit einen Höhepunkt erreicht. Noch nie zuvor war die Immunität des Staatsoberhauptes aufgehoben worden. Auch aus unserer ganz privaten Lage heraus waren die ewigen Zweifel an der Position meines Mannes und auch an mir nicht mehr auszuhalten. Als wir an diesem Abend in unserem Wohnzimmer in der Pücklerstraße zusammensaßen, uns erneut vor Augen führten, wie zermürbend die Lage ist und wie wahrscheinlich ganz ähnlich zermürbend auch die Zukunft sein würde, war klar, dass dies das Amt nicht mehr aushält und dass dies auf keinen Fall mit den operativen Aufgaben eines Bundespräsidenten zu vereinbaren ist. So traurig ich in diesem Moment war, denn zu akzeptieren, dass man in weiten Teilen einfach machtlos ist, so froh war ich: Endlich gab es eine Entscheidung.
    Es war gut, diesen Entschluss gemeinsam am Abend getroffen zu haben. Denn am nächsten Morgen, am 17. Februar, die Zeitungen aufzuschlagen, war ernüchternd. Seitenweise standen dort Kommentare und Einschätzungen von anderen Vertretern der Berliner Politik zu der beantragten Aufhebung der Immunität. Es waren Äußerungen wie »Ich glaube, das war’s« oder »Der Bundespräsident muss jetzt seine Schlüsse ziehen« oder »Wir werden dazu beitragen, dass zum frühestmöglichen Zeitpunkt seine Immunität aufgehoben wird«. Bitter. Selbst aus den Reihen der CDU kamen kritische Statements. Aber ich wollte mich nicht mehr aufregen. Zudem hatten wir genug damit zu tun, den Tag des Rücktritts vorzubereiten. Mein Mann und ich haben die Zeit in Berlin gemeinsam erlebt, durchlebt, da war es selbstverständlich, dass wir auch den Abschied aus Berlin gemeinsam angehen. Christian informierte Angela Merkel, die traurig war, jedoch seine Entscheidung für richtig hielt. Meiner persönlichen Assistentin hatte ich bereits abends zuvor eine kurze SMS mit der Information über den Rücktritt geschickt. Als ich es meinem Sohn Leander sagte, war dieser vor allem erleichtert und äußerte, dass wir dann ja zum Glück wohl nicht mehr so oft in der Zeitung stehen würden.
    Es mag banal erscheinen: Doch ich überlegte auch sehr genau, was ich an dem folgenden Tag anziehen werde. Mehr als bei allen anderen Events war mir dies wichtig. Es sollte etwas Schlichtes sein, nicht zu edel und aufgesetzt. Es sollte etwas sein, in dem ich mich sicher und wohlfühle. Die Fassade musste stimmen, das Innenleben ging keinen etwas an. Ich wollte mich als starke Frau präsentieren. Schnell fiel meine Wahl auf eines meiner Lieblingskostüme von Rena Lange. Im Grunde ein ganz klassisches schwarzes Ensemble mit Rock und kurzer Jacke, an den Rändern in Weiß gearbeitet. Bereits häufiger hatte ich es an, so zum Beispiel erst einige Wochen zuvor, am 6. Januar 2012, beim Empfang der Sternsinger. Als dem ersten offiziellen Auftritt des Bundespräsidenten im neuen Jahr war auch dies ein wichtiger Termin für mich und meinen Mann gewesen, gerade angesichts der turbulenten Tage, mit denen wir 2011 abgeschlossen hatten.
    Am Vormittag rief ich meine Eltern an und sagte ihnen, dass Christian vom Amt des Bundespräsidenten zurücktreten werde. Ich spürte bei meiner Mutter die Erleichterung. Und es tat gut von ihr zu hören,
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