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Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Titel: Jenseits der Eisenberge (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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für ein nutzloses, dummes, feiges Geschöpf er doch war! Geboren, um den Mächtigen als Spielzeug zu dienen!
    „Ihr verachtet mich zurecht, Lyskir von Corlin“, sagte er verbittert. „Ein Narr, wer seine Position in dieser Welt überschätzt.“
    Die Ketten klirrten laut, als Lys’ Hand vorschoss und er Inurs Arm umklammerte.
    „Ich verachte Euch nicht, Inur von Sorala. Im Gegenteil, ich bin stolz, Euch meinen Freund nennen zu dürfen. Ihr habt mir heute Nacht mehr geholfen, als Ihr überhaupt erahnen könnt, und Euer Angebot, Euch für mich in Lebensgefahr zu stürzen, kann ich nur ablehnen, weil ich es nicht wert bin. Ich verachte nur mich selbst.“
    „Herr – Lys, meint Ihr das … Ist das wirklich Eure Meinung?“, stammelte Inur.
    Lys lächelte und wischte sich zugleich die Tränen vom Gesicht.
    „Geht jetzt, Inur, bevor Ihr Euch tatsächlich unnötig in Gefahr begebt. Reist zurück nach Sorala und haltet dort Augen und Ohren auf. Kumien kann sich ruhig mit Onurs Hilfe noch mehr Reichtümer anhäufen, aber er soll nicht die Hand hinter dem Thron werden!“
    „Lys, nein! Ich kann Euch doch nicht hierlassen!“, protestierte Inur entsetzt. „Ich gehe zum Layn und verhandle Euren Preis, für den er Euch ziehen lässt. Vermutlich hat er das ebenfalls geplant – dass ich Euch finde und frei kaufe.“
    „Vermutlich“, zischte Lys, „aber da hat er falsch geplant. Ich bin um Kirians Willen hierhergekommen und ich werde nicht gehen, bevor ich nicht weiß, was mit ihm geschehen ist. Ich gehe eher in die Minen und verrecke dort in irgendeinem Schacht, als mich wie ein Stück Vieh verkaufen zu lassen! Kumien soll sich nicht rühmen, er hätte mich jemals wahrhaftig besessen!“
    Inur stöhnte gequält. „Euer Stolz ist Euer Tod, Herr, begreift Ihr das nicht? Lasst mich Euch helfen. Vielleicht – Ihr könnt ja an der Grenze heimlich umkehren und Euch wieder in Irtrawitt einschleichen, um die Suche fortzusetzen. Herr, seid vernünftig!“
    Doch Lys schüttelte nur mit zusammengepressten Lippen den Kopf.
    „Ihr kehrt ohne mich heim, Inur, das ist mein letztes Wort. Gebt Nachricht an Tomar, was Ihr erfahren habt und seht davon ab, meinem Sohn helfen zu wollen – bei Euch würde man spätestens als Zweites suchen gehen.“
    „Aber Ihr könnt bald nicht mehr über den Pass, die Stürme, bedenkt …“, flehte Inur hoffnungslos.
    „Wenn Ihr im Frühjahr nichts von mir gehört habt, werde ich niemals mehr heimkehren.“
    Inur gab sich geschlagen, er wusste, Lys wäre nur noch mit Gewalt zur Vernunft zu bringen.
    „Trotzdem kann ich Euch nicht hier in der Kälte allein lassen“, sagte er schließlich unglücklich. „Lasst mich hierbleiben, wenigstens, bis Ihr eingeschlafen seid. Wenn ich sonst nichts mehr für Euch tun kann, als ein bisschen Trost und Gesellschaft zu geben …“
    Lys drückte ihm die Hand. „Ihr seid ein treuer Freund, Inur“, flüsterte er tränenerstickt. Dann ließ er sich helfen, sich hinzulegen und so warm wie möglich in seine Decke einzurollen.
    „Lebt wohl, Inur. Sollten wir uns niemals wiedersehen, lebt wohl, ich wünsche Euch alles Glück dieser Welt.“
    „Ich wünsche, dass Ihr lebt, Herr, und heil zurückkehrt“, erwiderte Inur, kaum weniger aufgewühlt. Danach fiel endgültiges Schweigen über sie. Im Schein der Laterne hockte Inur da, versuchte Kälte und Angst zu verdrängen, und hielt Lys’ Hand, bis jegliche Anspannung aus dem gefolterten Körper gewichen war, die gequälten Gesichtszüge sich glätteten und tiefe Atemzüge bezeugten, dass er fest schlief.
    Widerstrebend rutschte Inur von dem Wagen herab. „Lebt wohl, Lys“, wisperte er noch einmal. Schließlich wandte er sich ab und verließ den Hof, ohne zurückzublicken.
     
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    Kumien löste sich aus den Schatten, in denen er beinahe zwei Stunden lang gekauert hatte, überzeugte sich noch einmal, dass Inur fort war und auch nicht wiederkehren würde, und streckte dann erst einmal seine steif gefrorenen Glieder. Was er hier alles gehört und erfahren hatte, war mehr als erschütternd gewesen – er hatte Inur wirklich nur hierher geschickt, damit Lys ein letztes Mal ein freundliches Gesicht sehen durfte. Er hätte keinem seiner Diener befehlen können, Lys’ Wunden zu versorgen, ohne damit eine Reihe von Fragen aufzuwerfen, die Grundlage für Gerüchte zu legen, die ihm leicht zum Verhängnis werden könnten. Beinahe hätte er sich selbst verraten vor Wut, als dieser lächerliche kleine Graf zweimal
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