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Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Jenseits der Eisenberge (German Edition)

Titel: Jenseits der Eisenberge (German Edition)
Autoren: Sandra Gernt
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stillschweigend duldete. Selten in seinem Leben hatte ihn etwas so erschüttert wie die wenigen Minuten, die er hier mit Lys in einem Raum zugebracht hatte. Er teilte Kumiens Liebe zu beiden Geschlechtern nicht, aber einen kurzen Augenblick lang verstand er, was seinen Bruder so sehr an diesem Mann faszinierte, geistig wie körperlich.
    „Ich habe es niemandem verraten, ich wäre gar nicht auf die Idee gekommen, über etwas für mich so Selbstverständliches zu reden“, wisperte Lys. „Bitte, verstümmelt mich nicht, ich schwöre, dass ich es niemals wieder laut aussprechen werde!“
    Maggarn streichelte ihm unbeholfen über den Kopf, es war eine irrwitzige Situation, noch nie hatte er etwas Vergleichbares erlebt, sich einem Sklaven oder überhaupt einem Menschen so verbunden gefühlt.
    „Brich diesen Eid, und du wirst mehr als nur die Zunge verlieren“, sagte er drohend. „Für heute sei es vergessen.“
    Er schob Lys ein wenig grob von sich und öffnete die Kerkertür. „Nun raus mit dir, noch mehr Offenbarungen überlebe ich heute Nacht nicht!“, brummte er.
    Wenn ich bloß wüsste, ob ich die Götter bitten soll, dass du überlebst … nicht nur heute Nacht, sondern überhaupt. Die Welt wäre ärmer ohne dich, Fürst von Onur …
     
    In der kleinen Halle, an die sich der Innenhof anschloss, stieß Maggarn auf die Sklavenaufseher, die diesen Transport führen würden. Das war ihm recht, so konnte er schon heute Nacht zeigen, dass dieser Sklave weiterhin Eigentum des Layns und damit unantastbar war.
    „Bloß ein Sklave diesmal, Maggarn?“, fragte Terk. „Gebrandmarkt, nehme ich an?“ Er musterte Lys gierig, zuckte aber die Schultern und verlor das Interesse, als Maggarn das Brandzeichen präsentierte.
    „Geh mit deinen Leuten in die Küche, wenn ihr mit der Ladung soweit seid“, brummte Maggarn und schob Lys hinaus in den Hof. Die Holzwagen mit den Werkzeugen, Ausrüstung und sonstigen Dingen, die zu Pocils Mine geschickt werden sollten, standen hier bereit. Er half dem schwankenden jungen Mann, sich auf einen der Wagen hinzulegen, kettete ihn an wie einen Hund und wollte dann stillschweigend verschwinden; doch etwas hielt ihn noch zurück.
    „Ich halte mein Versprechen“, flüsterte er nach einem langen Moment des Zögerns. „Halte du deines – und halte vor allem durch. Es gibt Hoffnung, auch wenn die schlimmsten Dinge noch vor dir liegen.“ Er legte ihm eine Decke über, damit Lys nicht erfror in dieser rauen Herbstnacht. Lys hob stumm die Hand. Maggarn ergriff sie, drückte sie kurz. Dann verließ er ihn, tief in Gedanken versunken. Er musste dringend mit einem Priester reden, und das nicht nur aus einem Grund.
     
    ˜ ™
     
     Graf Inur von Sorala stand ratlos auf dem Innenhof und betrachtete die Wagen mit der Ausrüstung. Warum hatte der Layn ihn hierher geschickt? Der kleine dickliche Mann tupfte sich nervös über die Stirn.
    Zum Glück war dies alles jetzt überstanden, morgen früh durfte er sich wieder auf den Heimweg machen. Hoffentlich musste er nicht wieder eine Woche lang am Pass warten, bis das Wetter ruhig genug war, um einen Übergang zu wagen. Jetzt im Frühherbst war es zumindest noch möglich, mit jedem Tag wurde es aber gefährlicher. In wenigen Wochen würde der Übergang lebensbedrohlich sein und man konnte erst im Frühjahr wieder zwischen Onur und Irtrawitt hin- und herreisen. Layn Kumien hatte Inur tagelang warten lassen, bevor er überhaupt auch nur bereit gewesen war, mit ihm zu reden, obwohl er selbst die Anreise des Grafen gefordert hatte – nicht als Einladung, sondern als strikten Befehl. Inur besaß die wichtigsten Eisenerzminen des Landes und war damit eine politische Macht in Onur, obwohl seine Grafschaft insgesamt ziemlich klein und er selbst völlig unfähig war, an dem Spiel teilzunehmen. Die Grafen von Sorala hatten sich schon immer mächtige Protektoren gesucht, seit zwei Jahren war es Lys, der ihm alle Feinde vom Hals hielt. Layn Kumiens Aufforderung hatte ihn regelrecht in Panik versetzt, zumal er so unter Druck gesetzt wurde von den Boten, die ihm die Nachricht gebracht hatten und darauf bestanden, nur mit ihm gemeinsam wieder abzureisen. Er hatte keine Zeit gehabt, sich mit Lys oder irgendjemand sonst zu verständigen und zu beraten. Herausgekommen war nun ein überraschendes Angebot: Kumien wollte verstärkt Eisenerz zu den Farkinseln verkaufen und dabei nicht nur eine Route durch Sorala wählen, sondern Inur den gesamten Handelsweg organisieren
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