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Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)

Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)

Titel: Jenseits der Augenlider: Garandors Licht (German Edition)
Autoren: Marc Dorpema
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eingeschlossen von kunstvoll verzierten Kästchen aus Kristallglas. Die Tür, durch die sie gekommen waren, schien der einzige Ein- und Ausgang zu sein.
    Auf der gegenüberliegenden Wand des Zimmers paradierte ein kolossaler, schwarzer Seraph aus einem Lannus unbekanntem Gestein. Goldene Kugeln füllten die Augenhöhlen. Er maß sechs Schritte in der Höhe und drei in der Breite. Seine enormen Flügel ragten dem durch eine gläserne Kuppel ausgesperrtem Himmel entgegen. Lannus stockte der Atem, als er sich fragte, wo im Namen Eldanas‘ er gelandet war.
    An dem imposanten Tisch standen zwölf Stühle. Jeder von ihnen eine einmalige Anfertigung, was mühelos an den merkwürdigen Mustern und den verschiedenen Intarsien auf den Lehnen zu erkennen war. An neun der zwölf Stühle hatten Personen Platz genommen, von welchen zwei an den beiden Tischenden ruhten, während auf der linken Seite vier saßen, ihnen entgegenblickend drei. Auf den ersten Blick erkannte Lannus zwei Frauen unter den Sitzenden. Der Dieb nahm an, dass die Gestalten an den Tischenden diese Sitzung, oder was auch immer dies sein mochte, führten.
    Der Mann, der direkt im Schatten des Seraphen tagte, wirkte wie der Anführer und musste furchtbar alt sein. Tiefe Falten gruben Krater um seine Augen und seinen Mund; ein langer, grauer Bart hing von seinem Kinn herab. Bei Lannus‘ Anblick breiteten sich die Furchen bis zur Stirn des blassen Greises aus. Beinahe ein Dutzend Augenpaare richteten sich auf Lannus, als sei er ein fremdes Geschöpf, emporgestiegen aus dem Meer. Lannus‘ Wangen röteten sich. Mit Ausnahme einer der Frauen vermutete der Dieb, dass er die wenigsten Zyklen erlebt hatte.
    Lannus zwang sich zur Ruhe.
    „ Ich möchte keine Bewegung sehen.“ Sein Begleiter wanderte zum Anführer und begann, ihm etwas ins Ohr zu flüstern, doch er sprach zu leise, als dass Lannus die Botschaft hätte mitbekommen können. Nach einigen Augenblicken entfernte sich der Flüsterer vom Ohr. Der graue Mann schien kurz zu grübeln, bevor seine Worte Lannus entgegenbrausten.
    „ Erzähl mir ein wenig von dir.“ Seine Stimme war kräftiger als Lannus vermutet hatte und verdeutlichte, dass man sich vor diesen Menschen in Acht nehmen sollte.
    „ Das ist nicht von Belang.“ antwortete Lannus, urplötzlich gereizt, entsetzt von seiner eigenen, respektlosen Antwort. „Ich weiß nicht einmal, wer ihr seid, oder wo ich bin.“ fuhr in einer ängstlichen, ruhigen Stimme fort.
    „ Wir, Lannus, sind die Streiter des Zirkels der schwarzen Serafim. Mein Name ist Teranon. Ich bin der Anführer dieses Zirkels. Wir wissen, dass unser Handeln nicht ruhmreich scheint. Wir sind Diebe, Räuber. Man könnte behaupten, wir seien gierig und unser Handeln sei schändlich, doch wir nehmen uns bloß zurück, was die reichen Adeligen dieser Stadt unseren Vorfahren nahmen. Unsere Familien wurden ausgebeutet und nun rächen wir uns.“ Das Gewicht des Schmerzes schien sich an der Stimme festzuklammern.
    „ Ich begreife euer Leid, doch bin ich kein Teil von euch.“ Lannus verstand nicht, wie ihm geschah. Er hatte sich verlaufen und nun unterhielt er sich mit einem Fremden, der seinen Namen kannte.
    „ Du musst dem Zirkel nicht beitreten, wenn du nicht möchtest. Allerdings bietet er dir äußerst verlockende Vorteile wie Schutz, Reichtum oder Kontakte. Treffe deine Wahl mit Bedacht. Du kannst es hier zu größerem Ruhm bringen als auf der Straße. Ich weiß, dass du ein Räuber bist, Lannus. Ich kenne alle Diebe dieser Stadt.“
    Ohne eine Antwort abzuwarten, stand der Greis auf und eilte schnellen Schrittes zu der Statue des mit Ruß überzogenen Seraphen und stellte sich direkt vor sie, bevor er beschwörend die Hände erhob. Teranons Lippen spielten kaum merklich mit undeutbaren Worten, während seine Augenlider sich schlossen. Auf einmal bewegte die Statue ihren linken Arm, dann den Rechten. Sie packte sich mit beiden Flügeln an den Bauch und stieß einen markerschütternden Schrei aus. Der Kopf des Seraphen senkte sich, als blicke er auf eine Wunde an seinem Magen. Die Hände öffneten eine verborgene Klappe, welche die scheinbaren Innereien der Statue offenlegte.
    Entsetzt wohnte Lannus dem Schauspiel bei. Ein plötzlicher Lichtstrahl stach gleich tausend Dolchen nach seinem Antlitz. Seine Hand fuhr ruckartig vor die geblendeten Augen, um sie vor der Erblindung zu bewahren. Der entsetzliche, gleißende Schein ließ nach wenigen Momenten wieder nach und der Schmerz
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