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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein
Autoren: Hans Fallada
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Quangels jetzt nur angelehnt ist. Und sie wird sofort wieder geöffnet, als die beiden Männer vorüber sind. Anna Quangel huscht ans Treppengeländer und lauscht hinunter.
    Vor der Flurtür der Persickes hebt Borkhausen stramm die Hand zum Deutschen Gruß: «Heil Hitler, Herr Persik-ke! Und ich danke Ihnen auch schön!»
    Wofür er dankt, weiß er selbst nicht so genau. Vielleicht, weil der HJ-Führer ihn nicht mit dem Fuß in den Hintern getreten und die Treppe hinuntergeworfen hat.
    Er hätte sich das ja auch gefallen lassen müssen, solch ein kleiner Pinscher wie er ist.
    Baldur Persicke erwidert den Gruß nicht. Er starrt den andern mit seinen glasigen Augen an und erreicht, daß er nach kurzem zu blinzeln anfängt und den Blick zur Erde senkt. Baldur fragt: «Du wolltest dir also einen Spaß mit der alten Rosenthal machen?»
    «Ja», antwortet Borkhausen leise mit gesenktem Blick.
    «Was denn für 'nen Spaß?» wird er weiter gefragt.
    «Bloß so Firma Klau und Lange?»
    Borkhausen riskiert einen raschen Blick in das Gesicht seines Gegenübers. «Och!» sagt er. «Ich hätte ihr auch schon die Fresse lackiert!»
    «So!» antwortet der Baldur nur. «So!»
    Eine Weile stehen sie schweigend. Der Borkhausen überlegt, ob er jetzt gehen darf, aber er hat noch nicht den Befehl zum Abtreten bekommen. So wartet er stumm, mit wieder gesenktem Blick, weiter.
    «Geh da mal rein!» sagt Persicke plötzlich mit sehr mühsamer Zunge. Er zeigt mit ausgestrecktem Finger auf die offene Flurtür der Persickes. «Vielleicht habe ich dir noch was zu sagen. Mal sehen!»
    Borkhausen marschiert, wie vom weisenden Zeigefinger befohlen, schweigend in die Wohnung der Persickes. Baldur Persicke folgt, ein wenig schwankend, aber in soldati-scher Haltung. Die Tür schlägt hinter beiden zu.
    Oben löst sich Frau Anna Quangel vom Treppengeländer und schleicht in die eigene Wohnung zurück, deren Tür sie sachte ins Schloß gleiten läßt. Warum sie die beiden bei ihrem Gespräch, erst oben vor der Wohnung der Frau
    Rosenthal, dann unten vor Persickes Tür, belauscht hat, sie weiß es nicht. Sie folgt sonst ganz der Gewohnheit ihres Mannes: die Mitbewohner können tun und lassen, was sie wollen. Frau Annas Gesicht ist noch immer krankhaft weiß, und in ihren Augenlidern ist ein irritiertes Zucken. Ein paarmal schon hätte sie sich gerne hinge-setzt und geweint, aber sie kann es nicht. Ihr gehen Redensarten durch den Kopf wie: «Es drückt mir das Herz ab», oder: «Es hat mich vor den Kopf geschlagen», oder:
    «Es steht mir vor dem Magen». Von all dem empfindet sie etwas, aber auch noch dies: «Die sollen mir nicht ungestraft meinen Jungen umgebracht haben. Ich kann auch anders sein .»
    Wieder weiß sie nicht, was sie mit dem Anderssein meint, aber dies Lauschen eben war vielleicht schon ein Anfang davon. Otto wird nicht mehr alles allein bestimmen können, denkt sie auch noch. Ich will auch mal tun können, was ich will, auch wenn es ihm nicht paßt.
    Sie macht sich eifrig an die Fertigstellung des Essens. Die meisten Lebensmittel, die sie beide auf Karten zugeteilt erhalten, bekommt er. Er ist nicht mehr jung und muß ständig über seine Kraft arbeiten; sie kann viel sitzen und Näharbeit tun, also versteht sich solche Teilung von selbst.
    Während sie noch mit ihren Kochtöpfen hantiert, verläßt Borkhausen wieder die Wohnung der Persickes. Sobald er die Treppe hinuntersteigt, verliert seine Haltung das Kriecherische, das sie vor denen hatte. Er geht aufrecht über den Hof, sein Magen ist angenehm von zwei Schnäpsen erwärmt, und in der Tasche hat er zwei Zehnmarkscheine, einer von ihnen wird Ottis üble Laune besänftigen.
    Aber als er die Stube im Souterrain betritt, ist Otti keiner üblen Laune. Auf dem Tisch liegt eine weiße Decke, und Otti sitzt mit einem Borkhausen nicht bekannten Manne auf dem Sofa. Der Fremde, der gar nicht schlecht angezogen ist, zieht hastig seinen Arm, der um Ottis Schulter lag, zurück. Aber das hätte er gar nicht zu tun brauchen, in so was war Borkhausen nie heikel.
    Er denkt: Kiek mal, das alte Aas, solche fängt sie sich auch ein! Der ist mindestens Bankangestellter oder Lehrer ...
    In der Küche heulen und jaulen die Kinder. Borkhausen bringt jedem eine dicke Scheibe von dem Brot, das auf dem Tisch steht. Dann fängt er selber zu frühstücken an, es ist sowohl Brot wie Wurst, wie Schnaps da. Er streift den Mann auf dem Sofa mit einem zufriedenen Blick. Der Mann scheint sich nicht so wohl wie
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