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Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Titel: Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
Autoren: Konstantin Wecker
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sinkst mit.
    Rom
     
    Schon mit dem ersten Licht ist diese Stadt
    in Leben eingetaucht und Kraft.
    Die Häuser schimmern zwar noch etwas matt,
    doch durch die Straßen rinnt schon all der Saft,
     
    den Rom im Überfluss besitzt. Man spürt
    das dumpfe Pochen aus den Katakomben,
    wo sich der erste Christenleichnam rührt.
    Sie werden alle kommen und mit Bomben
     
    aus Glut und Hitze um sich schmeißen.
    In ein paar Stunden steht die Stadt in Brand.
    Die Götter stehn in Positur und gleißen
    und halten bunte Dias in der Hand.
     
    Unter dem Titusbogen weiden deutsche Schafe
    und die Cäsaren lassen es geschehn.
    Statt aufzuwiegeln wie einst jener Sklave,
    wolln sie zerbröckeln und auf Marmor stehn.
     
    Die grauen Päpste kauern auf St. Peter
    und geifern ihren Segen auf die Stadt
    und suchen Gott. Was soll’s, da oben steht er
    und jammert, dass man ihn vergessen hat.
     
    Er soll sich vorsehn, dass ihn jene Pferde,
    die seit Jahrtausenden die Sonne ziehn,
    nicht niedertrampeln. Denn schon glüht die Erde
    und alle grellen Lichter werden fliehn
     
    und ins Inferno tauchen. Die Paläste
    verlieren ihre Schatten und verstummen.
    Die Zeit der Katzen kommt und die der Feste,
    die greisen Dichter steigen aus den Niederungen,
     
    und endlich kann sich Rom besaufen
    die Brüste prall und voll von Wein,
    Gelächter fangen an zu laufen
    und schwellen an und brechen in dich ein,
     
    und du ertrinkst und taumelst durch die Gassen,
    die Häuser flattern auf, du rennst vorbei,
    du willst die ganze Stadt umfassen   –
    Rom hat dich endlich. Nie mehr bist du frei.
    Für Rainer Maria
     
    Als der Schwan sehr majestätisch,
    grenzenlos und so ästhetisch
    durch noch Ungetanes schritt,
    nahm ich dich zum Ufer mit.
     
    Und dann schlang ich meine Hände
    sehnsuchtsvoll um deine Lende,
    während ich vom Mondlicht sprach,
    gab dein Körper stückweis nach.
     
    Du entflammtest, ich entbrannte,
    und das Tier, das Unbekannte,
    war sehr weiß und adlig rein
    und schien tugendsam zu sein.
     
    Und der Abend neigte sich,
    unser Glück verzweigte sich,
    ich fing an dir zu nesteln an,
    dem Tier erschien das wundersam.
     
    Und grade als ich an der Schwelle
    meines Glücks die Weichen stelle,
    fing voll Scham der dumme Schwan
    grauenvoll zu singen an.
     
    Du entrücktest, ich erzürnte
    und der Schwanensänger türmte
    und entschwebte ohne Schwere
    schweigend ins Imaginäre.
    Ich werde dich zum Abendessen essen
     
    Ich werde dich zum Abendessen essen.
    Du wirst vielleicht erstaunt sein, aber ich
    will dich auf keinen Fall mit falschem Maß bemessen.
    So sagt man doch: Vor lauter Liebe fress ich dich.
     
    Ich will mein ganzes bürgerliches Denken
    in diesem kannibalen Akt vereinen.
    Du sollst dich mir noch einmal restlos schenken,
    dann bist du frei. Ich werd dich nicht beweinen.
     
    Wer liebt, besitzt, das darf man nicht vergessen,
    und wer besitzt, hat nun mal mehr vom Leben.
    Drum werd ich dich zum Abendessen essen,
    dann muss ich dich dir niemals wiedergeben.
    Hymne an den Frühling
     
    Du. Es atmet sich leichter.
    Der Geschmack von Kastanien pirscht sich an.
    Die Mädchen huschen wieder.
     
    Du. Selbst die Gebrauchtwagenverkäufer
    glauben ganz kurz nicht mehr an ihren Beruf.
    Jetzt heißt’s
    Zeitungen suchen zum Zudecken.
     
    Endlich:
    Hochkonjunktur der Sportwagenfahrermützenhersteller.
    Die Intellektuellen
    bereiten sich auf die Biergärten vor.
     
    Du. Man kann dich beißen.
    Ein paar tragen dich unterm Busen, Frühling.
    Wie dumm.
     
    Sonst alles beim Alten.
    Die Schlagerproduzenten tunen ihr Hüsteln.
    In den Karateschulen wird weicher getreten.
    Zu Hause wartet die Unruhe.
    Noch ’ne Erinnerung an Marie A.
     
    (für B.B.)
     
    Wir trafen uns in einem Regenbogen,
    der Regen war schon lange fortgezogen,
    nur noch des Bogens Bogen spannte sich
    uns übers Haupt und glänzte fürchterlich.
     
    Du warst im Blau und ich im Rot gesessen,
    wir haben fast die Welt um uns vergessen,
    da drücktest du dir einen Pickel aus,
    der war sehr weiß und sah sehr picklig aus.
     
    Ich will dagegen allgemein nichts sagen,
    denn jeder kann mal einen Pickel haben.
    Jedoch zur Zeit der höchsten Weltentrückung
    verschafft derselbe seltene Verzückung.
     
    Du pickeltest, nun gut, ich sah zu Boden,
    der Regenbogen hat sich schon verzogen,
    kaum war noch Blau, kaum war noch Rot zu sehn.
    Nur noch der Pickel war sehr weiß und blieb bestehn!
    Für Gottfried Benn
     
    Schweigender nie. So viel durchforstet im Hirn.
    Kämpfe und Frost.
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