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Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Titel: Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
Autoren: Konstantin Wecker
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Und eine blutende Stirn.
    Dieses verrottete Ich macht sich zum Absprung bereit,
    die Zunge nach innen gerollt und von leeren Parolen befreit.
     
    Schweigender nie. Schon viel zu viel Fremdes durchlebt.
    Das lähmende »Wie« endlich ad acta gelegt.
    Dann Aufsturz ins All. Die Zeit ohne Vorzeichen sehn.
    Schweigender nie. Drüber und überstehn.
    Zwölfzeiler eines herben und erfolgreichen Künstlers auf dem Männlichkeitstrip
     
    Er peitscht mit seinen Schritten den Asphalt,
    der ist verwundet, fast betäubt und windet sich.
    Sein Atem ist aus Eisen, blank und kalt.
    Er geht zum Spiegel und bezeichnet sich als fürchterlich.
     
    Und dann befällt ihn auch ein Gruseln vor sich selbst:
    Wie herrlich herrisch seine Zähne blinken.
    Er richtet seine Schultern und ist Held
    und macht sich auf, die rechte Faust zu zinken.
     
    Dann sticht er in die Kneipe und sein Atem
    befällt wie Eis den Raum. Man wartet ab.
    Er ist bereit und lächelt sanft in Raten
    und schreitet in die Männerherrlichkeit hinab.
     
     
    Reinheitsgebote überall,
    jedes Gramm Fleisch
    wird ausgelotet,
    kein Meter Film ohne
    Durchleuchtung,
    Waschmittel geben
    Gesetze,
    dem Fleisch wird sein
    Duft
    und der Haut wird das
    Atmen verweigert,
    sogar das Wort ist zum
    Lasttier geworden,
    seine Zuhälter befällt schon die
    Fettsucht.
    Sie sollen Verträge haben mit der
    Metzgerinnung
    betreffs der
    Hirnpreise.
    Stur die Straße lang
     
    Stur die Straße lang und nichts denken,
    nur: Es ist heiß heute.
    Irgendjemand schüttet Licht aus.
    Der Motor läuft erstaunlich ruhig.
    Auf der Brücke lächeln brave Kinder.
    Sie träumen davon, Handgranaten nach unten zu schleudern.
    Die Tachonadel zittert ein wenig. Das ist normal.
     
    Natürlich geht es südwärts.
    Du hast deiner Frau nicht mal mehr die Meinung gesagt,
    doch vor deinem Chef endlich die Hosen runtergelassen.
    Schön. Am Mittag zittert die Luft
    und die Felder driften nach Süden.
     
    Es liegt viel Weg vor dir.
    Deine Kinder werden weiterhin nur die Bay City Rollers lieben
    und dein Anwalt wird alles mit deiner Frau regeln,
    während du diesen braunen Mädchen Sand in die Augen träufelst.
     
    Ab heute frühstückst du nur noch auf Terrassen.
    Tahiti wahrscheinlich und ein Kugelbauch
    und nach Schweiß riechen dürfen.
    Nicht mal deinem Kantinenwirt wirst du ein Telegramm schicken.
     
    Die Abende werden stiller und die Morgen länger sein.
    Und immer wenn dein Kollege Paul sein Butterbrot auspackt,
    öffnest du eine weiße Flügeltür und atmest kräftig durch.
    Vor dir liegen Wiesen.
    Am Horizont öffnen sie sich.
    In diesen Nächten
     
    In diesen Nächten, wo die süßen Gifte
    der Einsamkeiten durch die Straßen rinnen,
    vergeh ich mich so gern an mir.
     
    Man atmet dumpfer, und man hat Gesichte,
    und aus den Straßenlöchern treten schwarze Spinnen
    im Dunst von Rotwein, Rotz und Gier.
     
    Die müden Nutten lehnen an den Türen
    wie faules Obst, zertretbar und verdorben.
    Es klingt Musik an aus den heilen Welten.
     
    Die Luft ist angefüllt mit Syphilisgeschwüren,
    und in den Himmelbetten ist die Lust gestorben,
    die viel zu viele zum Menü bestellten.
     
    In diesen Nächten packt mich ein Verlangen,
    das wie ein Feuer kommt, um all den Mist
    und Wirrwarr meiner Seele zu durchwandern.
    Doch ich versuche nicht, mich abzufangen,
    weil es ganz sicher schon ein Verbrechen ist,
    nicht so kaputt zu sein wie all die andern.
     
    An manchen Fensterkreuzen hängen Tote,
    die erst in ein, zwei Jahren sterben werden.
    Unten im Rinnstein fließt das Leben ab.
     
    Ein Heilsarmist verliest die Zehn Gebote.
    Man hat es satt und legt sich hin zum Sterben.
    Doch selbst zum Sterben ist die Zeit zu knapp.
     
    Ein Volk in Agonie, und trotzdem lebt es
    unter der Maske Tod, wie jene Fische,
    die noch mal leuchten, kurz bevor sie enden.
     
    Und in den letzten Zügen schwebt es
    noch einmal überm Sumpf in aller Frische
    und zeigt dir strahlend trotzend Stirn und Lenden.
     
    In diesen Nächten packt mich ein Verlangen,
    das wie ein Feuer kommt, um all den Mist
    und Wirrwarr meiner Seele zu durchwandern.
    Doch ich versuche nicht, mich abzufangen,
    weil es ganz sicher schon ein Fehler ist,
    nicht so kaputt zu sein wie all die andern.
     
     
    Das Wort muss eine Faust sein,
    kein Zeigefinger:
    Zuschlagen.
    Treffen.
     
     
    Strömungen, Windungen, Tiefen,
    das Werden beginnt zu verstehn.
    Wir bezwingen die Hieroglyphen,
    und trotzdem: Warum und für wen?
     
    Kaum aus dem Nirgends gestiegen,
    die Flügel
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