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Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)

Titel: Jeder Augenblick ist ewig: Die Gedichte (German Edition)
Autoren: Konstantin Wecker
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noch wasserdurchweicht,
    wir töten, verrecken und siegen
    und haben uns niemals erreicht.
     
    Strömungen, Windungen, Zwänge,
    das Werden hat längst resigniert.
    In diesem Menschheitsgedränge
    ist so wenig Neues passiert.
     
    Nur manchmal trifft uns ein Ahnen,
    von außen, ganz anderswoher.
    Umsonst! Den uralten Bahnen
    zu trotzen wäre zu schwer.
     
     
    Oft in Diskotheken oder in Kaufhäusern
    sehne ich mich nach der Geborgenheit eines Wolfsrudels.
    Selbst Krokodile wären sich näher,
    würden sie lächeln.
    Und wir?
    Puffs, Parteien und Präludien.
    Sonst kaum was geschafft.
    Nur manchmal
    so zwischen drei und vier Uhr früh
    an der Pissrinne einer eher ländlichen Kneipe,
    wenn der Gemeinsinn groß ist
    und selbst die Prostatiker sich noch zu einem Lächeln hinreißen lassen,
    ja dann,
    dann kommt’s schon mal vor
    dass einem ein selig hingehauchtes:
    »Das Leben ist doch herrlich, oder?«
    entwischt.
    Das wär’s nun auch wieder.
     
    Die Huren werden müde. Das ganze Revier
    gleicht einem verlorenen U-Bahn -Billett.
    Die Freier resignieren. Ein letztes Bier
    verwässert den Traum von Liebe und Bett.
     
    Selbst Lola, die mundlose, greise Lust,
    wirft ihre Einwegbrüste zum Müll.
    Wollüstig paart sich der Geier »Frust«
    mit den Göttern der Straße: Koma und Tüll.
     
    Die Huren werden müde. Ich halt’s mit den Huren.
    Nur noch Hunde und Bullen. Der kindische Mond
    steht flennend im Abseits. Die letzten Auguren
    diskutieren lateinisch, ob ihr Lächeln noch lohnt.
     
    Was soll’s! In der Kneipe treff ich sie alle.
    Ein letzter Versuch, am Weltrad zu drehn,
    dann nur noch Zerfall. Ich: dieser pralle
    geblähte Gehirnsack; zu satt zum Bestehn.
     
    Vorbei. Die Schenkel werden geschlossen.
    Die Chancen vertan. Kein Bettzeug, kein Duft.
    Ein bisschen Sperma wie Blut vergossen.
    Dann nur noch Sterben. Pragmatisch. Verpufft.
     
     
    Schreiben ist Schreien   –
    kein Flüstern mehr, Freunde.
    Wer flüstert, ist schuldig,
    bekennt.
    Dezentes Parlando war immer schon
    Feigheit,
    auch das Schmecken von Weinen:
    Vorzüglich, mein Herr,
    Vin du Rhône 49,
    ein Jeton ist gefallen
    etc., etc.
    Dieser schleimige stimmlose Firlefanz
    Höflichkeit und das:
    Verzeihen Sie bitte vielmals,
    alles Schuldbekenntnisse,
    sogar noch zu lasch für eine
    ordentlich befreiende Paranoia.
    Schweigen ist immer Ducken und Treten,
    be cool, man, und deutsche Innerlichkeit,
    alles derselbe Sud,
    Schreiben muss Schreien sein:
    Kampf und Neurose und Sturm.
    Bis jetzt alles ganz gut gelaufen,
    die Befunde meistens positiv.
    Eben immer grade noch drum herumgekommen.
    Irgendwann wird sich das ändern.
    Die Rosen werden weiterhin den Damen
    an die Bluse geheftet,
    und der Sommer wird wie immer den Schwalben zusehen.
    Nur dieser Wecker
    wird nicht mehr mit der Zunge schnalzen
    und sehr ratlos sein.
    Ich liebe diese Hure
     
    Ihr habt sie einfach nicht gesehn,
    wenn sie so zum Vergehen schön
    mit diesem leichten hohen Gang
    betörend ihre Tasche schwang.
     
    Noch Kind, doch trotzdem dieser Welt
    bewusstlos in den Arsch gestellt.
    Ein Nachtgewächs, doch wenn sie mag
    und euch umarmt, dann wird es Tag.
     
    Wenn sie bei mir liegt, wird mir klar,
    dass jede vor ihr Irrtum war.
    Wenn sie mich anspricht, fühl ich mich
    auf einmal furchtbar wesentlich.
     
    Ihr könnt es glauben oder nicht,
    wenn’s etwas gibt, was mich zerbricht,
    dann nur, wenn sie mich fallen lässt.
    Das haut mich um, gibt mir den Rest:
     
    Ja, Freunde, ja. Ich liebe diese Hure.
     
    In ihren Nächten ist sie Leib,
    Urhöhle, Schlamm und Lüsternheit.
    Zwar elfenhaft, doch ungeniert
    werden die Freier ausgeschmiert.
     
    Was stört das mich. Wenn sie mich küsst,
    dann weiß ich, wer sie wirklich ist.
    So nur noch Liebe, Fleisch und Blut,
    was schert mich da die Freiersbrut.
     
    Keine wie sie, keine so rein,
    sie muss ein Stück von etwas sein,
    das vor unendlich langer Zeit
    die Lust gab und die Sterblichkeit.
     
    Ihr könnt es glauben oder nicht,
    wenn’s etwas gibt, was mich zerbricht,
    dann nur, wenn sie mich fallen lässt.
    Das haut mich um, gibt mir den Rest.
     
    Ja, Freunde, ja. Ich liebe diese Hure.
    Bleib nicht liegen
     
    Schon wieder wühlt sich dein Gefühl
    in irgendeine Weichheit ein.
    So zart umfangen, so vertraut,
    das muss doch jetzt die Liebe sein.
     
    Und feuchte Haut und plötzlich Mut.
    Und alle Lust will Ewigkeit.
    Du bettest dich. So liegt sich’s gut.
    Jetzt nur noch Frau sein und bereit.
     
    Doch bleib nicht liegen,
    denn sonst
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