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Jede Nacht mit Charlie

Jede Nacht mit Charlie

Titel: Jede Nacht mit Charlie
Autoren: Jennifer Crusie
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unbekümmertes Lächeln ab und stürmte mit Mark auf den Fersen zum Lift.
    Zum Glück erbarmte sich Karen und hielt ihn auf.
    Fünf Sekunden später stand Allie buchstäblich auf der Straße.
    Sie war gefeuert! Von der Erfolgsproduzentin zum Nichts. Der rasante Sinkflug einer kometenhaften Karriere! Verbissen reckte Allie das Kinn. Was soll’s, sagte sie sich. Dann würde sie eben eine neue Supersendung auf die Beine stellen!
    Wenn es bloß so einfach wäre …
    Einen Augenblick lang verspürte Allie nackte Angst. Was, wenn sich der Erfolg nicht wiederholen ließ? Was, wenn Mark recht hatte, und er besaß das Talent?
    Nein! Sie würde den Weg zurück an die Spitze finden!
    Sie biss die Zähne zusammen und betrat das Restaurant auf der anderen Straßenseite. Die Eingangshalle trennte den Speisesaal von der Bar, eine Art entmilitarisierte Zone, die die essenden Yuppies von den trinkenden Yuppies trennte. Hier blieb Allie stehen und öffnete den Umschlag. Sie fand die Art Notiz, für die der Besitzer des Senders berühmt war: kurz, taktlos und prägnant:
    Vergessen Sie Mark King! Ab sofort kümmern Sie sich um Charles Tenniel, der für Waldo Hancock einspringt. Seien Sie morgen um Punkt fünf in meinem Büro.
    Bill
    Dem wahnwitzigen Waldo gehörte die Friedhofsschicht von 22 bis 2 Uhr. Sie war gerade vom Äquivalent der „Oprah-Winfrey-Show“ zu einem Unterhaltungsmagazin mit viel Werbung degradiert worden. Und ihr Mitbewohner, Joe, der sie eigentlich hier treffen sollte, war nicht da, um sie zu trösten! Auch der Rückweg war abgeschnitten, denn vor der Tür stand Mark, der Leute begrüßte, die ihn begrüßten, als sei er ein Star. Was er natürlich auch war. Wegen Joes Verspätung würde Mr. Megastar in die Bar kommen und sie allein antreffen. Künftig musste sie sich wirklich bessere Lügen ausdenken. Nicht, dass Joe eine besonders beeindruckende Verabredung abgab, aber immerhin war er beeindruckender als überhaupt keine Verabredung.
    Charlie Tenniel dachte über seine Zukunft nach, als dieser brünette Bibliothekarinnentyp ihn aufriss. Sechs Wochen, Maximum, dann würde er dieser Stadt wieder den Rücken zukehren. Wie schwer konnte es schon sein, den Absender eines anonymen Briefes an einen Radiosender in Tuttle, Ohio, aufzuspüren? So groß war der Sender nicht. Zur Hölle, nicht mal die Stadt war besonders groß! Sein Hauptproblem bestand darin, möglichst überzeugend einen Discjockey zu mimen, und wie schwer konnte das sein, wenn sein Bruder es sogar im Drogenrausch geschafft hatte? Spätestens Anfang November konnte er sein nächstes Ziel ansteuern. Möglichst weit entfernt von seinem Vater, der ihn in letzter Zeit ständig um irgendwelche verrückten Gefallen bat. Wie beispielsweise: „Überprüf doch mal diesen Radiosender für meinen alten Freund Bill!“ Das kam davon, wenn man persönlich zum väterlichen Geburtstag erschien. Ab sofort würde er nur noch Karten schicken. Sobald er hier fertig war, würde er zur Abwechslung mal eine Weile etwas Einfaches machen. Zum Beispiel Schweine züchten. Nein, zu kompliziert. Dann eben Karotten anbauen. Karotten brauchten keine regelmäßige Fütterung.
    Ein schrilles „Hi!“ unterbrach seinen Gedankengang.
    Trotz der offensichtlichen Anmache war sie keine der gelackten Emanzen, die Männer zum Zeitvertreib aufgabelten. Hinter einer riesigen runden Hornbrille glitzerten intelligente braune Augen. Das kinnlange goldbraune Haar umrahmte ein zartes Gesicht mit einem verführerischen kirschroten Mund. Das Blümchenkleid und die übergroße Weste waren auch nicht gerade Femme-fatale-Stil. „Was haben Sie vor?“
    „Sie aufzureißen?“ Erneut lächelte sie angestrengt.
    „Nie im Leben. Was wollen Sie wirklich?“
    Das künstliche Lächeln wandelte sich in ein ernsthaftes Stirnrunzeln. „Das glaube ich einfach nicht! Können Sie nicht wenigstens so tun, als hofften Sie auf eine Glückssträhne?“
    „Theaterspielen liegt mir nicht.“ Charlie ignorierte das Wimperngeklimpere und stupste den Finger in den Plüschbeutel, den sie auf die Bar geworfen hatte. Vage erinnerte er an einen uralten, blau geblümten Teppich. Charlie hatte nie auch nur etwas annähernd Ähnliches gesehen. Das galt auch für Mary Poppins, die hier anscheinend auf Männerfang ging.
    Allie musterte ihn über ihren Brillenrand hinweg. „Betrachten Sie einen gemeinsamen Drink einfach als Akt der Nächstenliebe.“ Auf seinen skeptischen Blick hin setzte sie hinzu: „Ich schwöre, das ist
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