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Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe
Autoren: Evelyn Sanders
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besonderem Vergnügen schilderte er den Partisanenkrieg, der angeblich seit jeher zwischen Köchen und Kellnern herrscht und an dem er sich bereits erfolgreich beteiligte.
    »Angefangen hatte es damit, daß mich der Chefkoch ins Office schickte, um den Kümmelspalter zu holen. Auf den Leim bin ich zwar nicht gekrochen, aber etwas später lag auf dem Fußboden ein Fünfmarkstück. Ich wollte es natürlich aufheben und habe mir fürchterlich die Pfote verbrannt. Der Kerl hatte das Geld vorher in den Salamander gelegt – das ist so eine Art Mikrowellenherd. Dafür habe ich ihm eine halbe Stunde später ein Bier gebracht, gut gewürzt mit Tabasco-Soße. Sein Gejaule hat man bis ins Restaurant gehört! Dann war drei Tage lang Ruhe. Am vierten habe ich beim Mittagessen einen heldenhaften Kampf mit meinem Schnitzel ausgefochten, bis ich dahinterkam, daß ich einen dick panierten gebratenen Bierdeckel durchsäbeln wollte. Jetzt muß Ich mir wieder etwas einfallen lassen!«
    Auch Sven wußte Erheiterndes zu berichten von den Auseinandersetzungen, die gelegentlich zwischen den von ihm verachteten Gartenbau-Architekten und den Ingenieuren stattfanden.
    Im Laufe der Zeit ließen sich unsere ›Azubis‹ aber immer seltener zu Hause blicken. Die Großstadt forderte ihren Tribut.
    »Was soll man in diesem Kaff hier schon anfangen?« hatte Sven gemeckert, als er doch wieder einmal erschienen war, um seine Püppi einer fachkundigen Inspektion unterziehen zu lassen. Zweifellos gab es auch in Stuttgart Reparaturwerkstätten, aber dort war die väterliche Brieftasche schwerer erreichbar.
    Sascha sahen wir noch weniger. Seitdem er ein Zimmer in einem Studentenwohnheim bezogen hatte, das ihm normalerweise gar nicht zustand und an das er auf nicht ganz legalem Wege herangekommen war, gehörte er zu einer festen Clique, die sich hauptsächlich aus angehenden Chemikern zusammensetzte. Mit ihnen verstand er sich bestens.
    Wer nun aber vermutet, daß Rolf und ich – der unmittelbaren Verantwortung für unsere Erstgeborenen weitgehend enthoben – nunmehr ein beschauliches Dasein führen konnten, der irrt. Zu den Dingen, die so einfach zu handhaben sind, daß auch ein Kind damit umgehen kann, gehören die Eltern.
    Katja wünschte sich ein Fahrrad mit Gangschaltung, bekam es, knallte damit gegen eine Mauer und brach sich den Arm. Steffi wünschte sich Rollerskates, bekam sie, fuhr gegen die Garagentür und brach sich den Knöchel. Nicole wünschte sich einen Chemiekasten, bekam ihn und lernte als erstes, daß sie nie wieder einen bekommen würde. Der Maler fragte später, ob sie in ihrem Zimmer Würstchen gegrillt hätte.
    Unser Haus bevölkerten weiterhin Scharen von Teenagern, deren Geschlecht sich meist erst beim zweiten Hinsehen feststellen ließ. So ermahnte Steffi einmal ihre langmähnige Seitendeckung ganz leise: »Dreh ihnen den Rücken zu, dann halten sie dich für ein Mädchen, und es gibt keinen Ärger!«
    Die beiden einzigen Dinge, die Kinder willig an andere weitergeben, sind ansteckende Krankheiten und das Alter ihrer Mutter. Als ich meinen fünfundvierzigsten Geburtstag feierte (man sollte spätestens beim dreißigsten damit aufhören), erschien die halbe Nachbarschaft zum Gratulieren. Frau Keks drückte mir einen herrlichen Fliederstrauß in die Hand und meinte tröstend: »Machen Sie sich nichts draus, die mittleren Jahre sind auch sehr schön!«
    »Ich weiß«, sagte ich, »das ist die friedliche Zeit, wenn die Kinder aus dem Haus sind und bevor man bei den Enkeln helfen muß!« Ich dachte an Luise und ergänzte: »Soviel ich weiß, dauern die mittleren Jahre in der Regel fünf bis sechs Monate!«
    Dann hörte ich Katja, die ihrer Freundin Bettina vom Fenster aus zurief:
    »Nee, im Augenblick kann ich nicht kommen. Ich muß erst noch Mathe machen, den Kaffeetisch decken, meinen Schrank aufräumen und die Blumen gießen. In zehn Minuten bin ich aber fertig!«
    Ich fürchte, meine mittleren Jahre werde ich vorläufig noch nicht genießen können!
    ENDE
     
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