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Je mehr Löcher, desto weniger Käse

Je mehr Löcher, desto weniger Käse

Titel: Je mehr Löcher, desto weniger Käse
Autoren: Holger Dambeck
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haben aber gelernt, ganz gut zu schätzen. Wenn wir zum Beispiel auf einem Bahnsteig stehen, dann können wir sicher sagen, dass da etwa 50, 60 Leute auf den Zug warten. Dass es genau 48 sind, wissen wir aber erst, wenn wir die Personen einzeln durchgezählt haben.
    E s gibt Dinge, die den meisten Menschen unglaublich erscheinen, die nicht Mathematik studiert haben.
Archimedes, griechischer Mathematiker
    Psychologen haben analysiert, wie gut Menschen größere Mengen abschätzen können und welche Faktoren zu größeren Abweichungen vom tatsächlichen Wert führen. Sind Punkte beispielsweise gleichmäßig verteilt, dann tendieren wir dazu, ihre Zahl zu überschätzen. Eine ungleichmäßige Anordnung führt umgekehrt dazu, dass wir die Gesamtmenge unterschätzen.
    Interessant in diesem Zusammenhang ist übrigens auch, dass sich unsere Schätzgenauigkeit mit einem einfachen Trick verbessern lässt: Wir müssen nur hin und wieder die exakte Zahl der Punkte oder Personen erfahren, deren Gesamtzahl wir gerade geraten haben. Falls wir weit danebengelegen haben, wird uns das beim nächsten Mal nicht mehr so schnell passieren. Unser Schätzsystem muss eben gelegentlich neu geeicht werden – wie eine Waage.

Schätzen statt zählen
    Zwei spannende Phänomene zeigen sich, wenn wir zwei Mengen miteinander vergleichen. Schauen Sie sich die Punkte links und rechts in der folgenden Abbildung an.

    Auf welcher Seite sind mehr? Und wie fällt Ihr Vergleich bei dieser Abbildung aus?

    Bei der oberen Abbildung ist die Sache relativ leicht: Links sind offensichtlich mehr Punkte als rechts – es sind 15, und daneben nur 11. Schwieriger ist die Situation bei der zweiten Abbildung. Wahrscheinlich lautet Ihr Tipp, dass es auf beiden Seiten gleich viele Punkte sind. Das stimmt aber nicht. In diesem Fall sind es rechts vier Punkte mehr als links. Beim Verhältnis 50 zu 54 können wir diesen Unterschied aber kaumnoch erfassen. Dies bezeichnen Psychologen als Größeneffekt. Je größer Zahlen sind, umso länger sind unsere Reaktionszeiten, wenn wir sie miteinander vergleichen sollen.
    Um in der zweiten Abbildung einen Unterschied zwischen links und rechts zu erkennen, müssten die Punktzahlen weiter auseinanderliegen – zum Beispiel 50 und 65. Wissenschaftler sprechen vom Distanzeffekt. Je weiter zwei Werte auseinanderliegen, umso leichter fällt es uns, sie zu unterscheiden.
    Der Distanzeffekt tritt verblüffenderweise auch bei gedruckten Zahlen auf. Das Experiment dazu haben 1967 die beiden Psychologen Robert Moyer und Thomas Landauer durchgeführt. Sie zeigten Erwachsenen zwei unterschiedlich große einstellige Zahlen, beispielsweise 3 und 5. Die Probanden sollten dann so schnell wie möglich entscheiden, welche der beiden Ziffern die größere ist, und den entsprechenden Knopf drücken. Immer wieder bekamen die Testpersonen neue Ziffernpaare zu sehen – und stets wurde ihre Reaktionszeit gemessen.
    Was glauben Sie, wie das Experiment ausgegangen ist? War die Reaktionszeit bei allen Zahlenpaaren gleich? Das wäre zumindest zu erwarten gewesen. Wir wissen schließlich, dass 9 sowohl größer als 8 als auch größer als 2 ist. Die Reaktionszeit müsste in beiden Fällen daher identisch sein.
    Doch was passierte? Bei weit voneinander entfernten Zahlen brauchten die Probanden etwa eine halbe Sekunde für ihre Entscheidung. Sie machten bei Paaren wie 9 und 2 auch kaum Fehler. Ganz anders bei benachbarten Zahlen wie 5 und 6. In diesen Fällen drückten die Testpersonen nicht nur erstaunlich oft den falschen Knopf, sie brauchten im Schnitt auch eine Zehntelsekunde länger als bei Paaren wie 9 und 2.

Verflixte Zahlenpaare
    Der Franzose Stanislas Dehaene hat in einem Experiment versucht, diesen Distanzeffekt durch gezieltes Training auszuschalten. Sein Test ähnelte dem von Moyer und Landauer, war aber noch simpler, um ihn besser trainieren zu können. Ein Computermonitor zeigte eine der vier Ziffern 1, 4, 6 oder 9 an. Die Testpersonen, Studenten der University of Oregon, sollten dann per Knopfdruck entscheiden, ob die angezeigte Zahl größer oder kleiner als 5 war.
    Dehaene empfand die Aufgabe als geradezu primitiv: »Man kann sich kaum eine einfachere Situation vorstellen: Wenn man eine 1 oder eine 4 sieht, drücke man links, und wenn man eine 6 oder 9 sieht, drücke man rechts.« Mehrere Tage übten die Probanden und kamen auf 1600 Versuchsdurchgänge.
    Doch am Ende waren die Studenten bei den Ziffern 4 und 6, den Nachbarn der 5, stets
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