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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman
Autoren: C. Bertelsmann
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einen unzugänglichen jüdischen Besatzer gegenüber einem armen Araber vor uns und nichts weiter, doch das ist zu eng und oberflächlich. So ist es nicht. Wir grübeln die ganze Zeit, prüfen uns selbst, ringen, was man tun muss, um zu überleben, im wörtlichen Sinne, und was sich empfiehlt, auch gemeinsam zu tun. Sind wir an dem Flüchtlingsproblem schuld? Es gab einen Krieg, und diesen Krieg haben sie angestiftet! Fragen sie sich denn, wie Holocaustüberlebende wie ich und Flüchtlinge aus den arabischen Ländern wie du einen glorreichen Staat aufgebaut haben, und warum sie mit ihren Flüchtlingslagern dasitzen?«
    »Und was ist mit Jerusalem?«, fragte Schaike.
    Es war nun an mir zu antworten. Rasch entwarf ich im Kopf eine umfassende Erwiderung, die das Spektrum der Fragen und Bemerkungen, die aufgetaucht waren, abdecken würde.
    »In meinen Augen ist dies ein Land mit zwei Geschichten, zwei nationalen Identitäten, zwei Sprachen, zwei Kulturen, zwei Visionen, zwei Träumen. Wer für sich alles fordert, wird ohne alles ausgehen …«

    »Du hast nicht darauf geantwortet, was mit Jerusalem ist«, unterbrach mich Schaike.
    Ich spürte, dass sich Jasmin anspannte. Sie heftete ihren Blick auf mich.
    »Schaike, Jerusalem, die Heilige Stadt, ist eine schwierige Stadt, deren gesamte Geschichte aus ununterbrochenen Konflikten und Kriegen besteht, und gerade wegen ihrer Heiligkeit eine Stadt von sonderbaren Messianisten und Glaubensfanatikern. Die Christen haben den Juden und Muslimen das Terrain überlassen. Wir werden uns gegenseitig umbringen, und sie werden die Beobachter sein. Meiner Meinung nach muss Jerusalem eine offene Stadt für alle sein, und von meinem Standpunkt aus können auf dem Tempelberg neben der israelischen Fahne die Fahnen des Vatikans und aller arabischer Länder flattern.«
    Schweigen herrschte im Saal. Ich fürchtete, dass ich zu weit gegangen war, wenngleich ich im tiefsten Herzen glaubte, dass das die Lösung war. Ich stand ebenbürtig vor ihnen, nicht wie ein Immigrantenjunge, der ihrem Schutz anheimgestellt worden war. Mein Hintergrund und meine Arabischkenntnis waren diesmal eine Quelle der Kraft und Ehre für mich.
    Als ich die Bühne verließ, scharten sich die Kibbuzmitglieder um mich, nahestehende und andere. Besonders erregt war Dolek, der mir in meinen jungen Tagen Horizonte eröffnet hatte und mich jetzt mit seinen riesigen Pranken an sein Herz drückte.
    Tirza, von der alten Kibbuzgarde, sprach mit strengem Gesicht, bedeutungsvoll wie üblich, doch sie stotterte auch: »Das war … wie soll man sagen … ich … na gut, jeder kann einen schriftlichen Vortrag vorbereiten, man liest Bücher, Dokumente und trägt vor. Aber reden und auf Fragen antworten? So ganz spontan? Das …« Es fiel ihr schwer, Worte zu finden, vielleicht wollte sie dem Knaben aus der Kibbuzjugend von damals, der ein Mann geworden war, ihr Lob aussprechen und konnte doch kein ganzes Kompliment machen.
    Jasmin, die alles im großen Heft ihres Gerechtigkeitssinns notierte,
unterdrückte ein Lächeln. »Was denn, bist du hier in einer Prüfung?«
    »Aber sicher! Und das bleibt so bis zu meinem Ende, aber es dient auch als Treibstoff und Ansporn.«
    »Hör mal«, resümierte Chagi, »du hast heute Abend drei Rekorde gebrochen. Die Kameraden sind bis nach elf dageblieben, haben eine Menge Fragen gestellt, und sie haben sogar Beifall geklatscht, etwas, das unserorts nicht üblich ist.«
    »Kommt zu uns, wir wollen feiern. Du hast es verdient«, drängte uns Nili.
    »Ich bin erledigt. Vielleicht frühstücken wir zusammen.«
     
    Hand in Hand stiegen wir den dunklen Zypressenpfad hinauf, nur wir beide, ganz nah, so nah, wie wir einander noch nie gewesen waren. Ausgerechnet hier, in Kiriat Oranim, meinem ersten Zuhause in Israel, fiel endgültig die Trennwand zwischen uns.
    In der Gästewohnung fielen wir einander in die Arme. Jasmin umschlang meinen Hals, und ich zog sie mit aller Zärtlichkeit, die in mir war, an mich. Ihre Hände glitten meinen Rücken entlang, ihre Nägel bohrten sich hinein. Seit ich sie kannte, hatte ich von diesem Augeblick geträumt und ihn gefürchtet, wissend, dass es dann kein Zurück mehr gab. Ich zog sie aus, küsste jedes Fleckchen ihres Körpers, der sich in seiner ganzen Schönheit und Frische offenbarte, und legte sie aufs Bett. Meine Hand streckte sich zum Schalter der Lampe aus, doch ich zog sie sofort zurück. Es sollte Licht sein in dieser Nacht.
    »Ich will dich sehen, dich auch mit
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