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Janusliebe

Janusliebe

Titel: Janusliebe
Autoren: E Mier
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nicht geschlafen, um Aufträge fertigzustellen oder die lästige Büro-
arbeit zu erledigen, zu der er tagsüber keine Zeit fand. Einen einzigen Arbeiter hat-
te er damals noch beschäftigen können. Allein schon seinetwegen und der Familie,
die der Monteur zu ernähren hatte, hatte sich Lawrence verpflichtet gefühlt, den
Laden wieder in Schwung zu bringen, aber auch, um seinen Bruder und sich über
Wasser zu halten. Himmel, wenn er an diese Zeiten dachte, fragte er sich heute
noch, wie er das alles geschafft hatte: Versorgung und Erziehung des kleinen Bru-
ders, die marode Werkstatt, die dringend neue Maschinen und Werkzeuge brauch-
te, und sein Studium, das er – Gott weiß wie! – auch noch nebenher gemeistert
hatte. Jeden anderen hätte das wahrscheinlich umgebracht, aber Lawrence war die
Aufgaben mit dem verzweifelten Mut eines Kriegers angegangen, der sich alleine
einer feindlichen Armee gegenübersieht und keine Rückzugsmöglichkeit hat.
Durfte sich ein Mann, der so viel geleistet hatte, nicht mal einen halben Tag
lang Urlaub gönnen und sich selbst ein wenig verwöhnen?
Komisch, dass ausgerechnet eine junge Frau mit honigblonden Haaren und
Bernsteinaugen kommen musste, um ihn auf diese Idee zu bringen! Aber die nähe-
ren Gründe wollte Lawrence jetzt lieber nicht analysieren. Die Kleine gefiel ihm
einfach, und das alleine war ausschlaggebend – basta!
    Er wollte sich einen schönen Tag genehmigen, um dann beruhigt wieder sei-
nen täglichen Lebensrhythmus aufzunehmen. Hach, Doktor Cline würde mit ihm
zufrieden sein!
Der Lift hielt im Erdgeschoss. Lawrence wäre am liebsten mit Carry an der
Hand durch die Empfangshalle gerannt, raus, weg, hinein in das Abenteuer eines
freien Nachmittags, aber er beherrschte sich und schritt stattdessen gesittet neben
seiner Begleiterin zum Ausgang.
Draußen wartete sein Fahrer, der eilig sein Schwätzchen mit dem Pförtner un-
terbrach und davonstürzte, um den dunkelblauen Jaguar zu holen, der auf Law-
rence’ Privat-Parkplatz stand. Der Pförtner zog sich mit eingezogenem Kopf auf sei-
nen Posten in der Halle zurück. Wahrscheinlich erwartete er wegen des Schwatzes
einen Rüffel, der sich gewaschen hatte, aber Lawrence hatte ihn überhaupt nicht
bemerkt.
Beim Anblick des blitzenden Nobelwagens, der um die Ecke bog, wurde es
Carry ein klein wenig mulmig zumute. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, WIE
wohlhabend Lawrence M. Carlson war. Und mit so einem Mann wollte sie sich
anlegen? Sie musste komplett verrückt sein!
Vielleicht war es das Beste, wenn sie hier und jetzt den Rückzug antrat. Freund-
schaft hin, Freundschaft her, manchmal musste man die Segel streichen, bevor
man aus dem Hafen auslief – zum Beispiel dann, wenn Poseidon Luft zu einem
Sturm holte. Und in diesem Fall stand Carry ein Orkan der Stärke 12 bevor!
Sie öffnete die Lippen, um Lawrence zu sagen, dass sie es sich anders überlegt
habe und lieber nach Hause gehen wolle, aber da fühlte sie seine Hand an ihrem
Ellbogen und im nächsten Moment fand sie sich in butterweichen, duftenden Le-
derpolstern wieder.
Edelholz, Edelleder, Edelluxus umgaben sie. Hilfe!
Und neben ihr saß ein Mann in Edelklamotten und auf dem Vordersitz ein
Mann in einer grauen Uniform, der ein Edellenkrad in der Hand hielt, mit dem
er eine superteure Edelkarosse durch die Stadt fuhr! Wie hatte sie das nur wieder
geschafft? Hilfe! Mami!
Carry krallte die Finger in das Leder. Sie war sich hundertprozentig sicher, ge-
rade die größte Dummheit ihres Lebens zu begehen. Und nicht nur das, sie lief,
oder besser, sie fuhr dank ihrer großen Klappe gerade in eine Gefahr, deren Aus-
maß sie nur erahnen konnte. So viel war ihr nämlich klar, Lawrence M. Carlson
war nicht der Mann, den man ungestraft verarschen durfte!
«Möchten Sie ein wenig Musik hören?»
Beim Klang der Stimme schrak Carry zusammen.
Lawrence warf ihr einen erstaunten Blick zu, dann sah er geradeaus.
    «Wieso so nervös?», fragte er, ein kleines Schmunzeln in den Mundwinkeln.
«Mir sagt man zwar ein paar negative Eigenschaften nach, aber dass ich ein Wolf
bin, der junge Frauen frisst, das hat noch niemand über mich behauptet.»
«Ähh ...», machte Carry hilflos. Sie musste irgendetwas sagen, etwas, das halb-
wegs sinnvoll klang! «Das ist ein schönes Auto.»
SINNVOLL, du blöde Gans! Sinnvoll, nicht dämlich!
«Er ist vor allem bequem», erwiderte Lawrence, wobei sich das kleine Lächeln
um seine Lippen
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