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Janusliebe

Janusliebe

Titel: Janusliebe
Autoren: E Mier
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zur Zimmerdecke, garniert mit einem dankbar schmachtenden Blick. «Da-
für lade ich Sie heute Abend oder wann immer Sie wollen ganz groß zum Essen
ein. In das beste und teuerste Restaurant von ganz Denver, mein Wort drauf.»
«Danke.» Carry lächelte. «Aber ein Lokal, in dem es die größten Portionen weit
und breit gibt, wäre mir wesentlich lieber. Seien Sie gewarnt, ich bin ziemlich ge-
fräßig.»
«Abgemacht!» Doreen zwinkerte ihr verschwörerisch zu. «Dann, los an die
Arbeit. Der Chinese wartet.»
Damit stöckelte sie aus dem Zimmer, eine Wolke «Nelly-Springs» hinterlas-
send, die noch eine ganze Weile um Carrys Nase herumwehte.
———————
Lawrence M. Carlson ertappte sich dabei, dass er schon wieder auf seine Arm-
banduhr starrte, deren Zeiger sich heute im Schneckentempo vorwärtsbewegten.
Immer noch nicht sechzehn Uhr!
Sollte er vielleicht einfach mal über den Flur in das kleine Büro spazieren und
fragen, ob diese reizende Fee ( ... reizende Fee? Zum Kuckuck, was ist mit mir los? ) die
Briefe schon fertig geschrieben hatte? Aber das würde sie vielleicht nervös und
unsicher machen, oder – noch schlimmer! – sie würde ihm die Frage übel nehmen
und sich von ihm gehetzt fühlen? Nach seinen Erfahrungen mit dem Personal, das
ALIDA ihm bisher geschickt hatte, erschien es ratsam, die Dame mit Samthand-
schuhen anzufassen. Die ALIDA-Leute verfügten scheinbar alle über ein äußerst
sensibles Seelenleben, das beim ersten schrägen Ton in sich zusammenbrach. In
ihrem Beisein sollte man deshalb besser nicht laut auftreten, husten oder sich am
Kopf kratzen!
Allerdings waren die Leute allesamt auch staubdumm gewesen!
Diese – Gott, wenn er doch wenigstens nach ihrem Namen gefragt hätte! – die-
se Fee ( ... Fee, schon wieder! Ich muss krank sein! ) bildete eine erfreuliche Ausnahme.
Es wäre vielleicht sogar eine Bereicherung für seinen Betrieb, sie von dieser Skla-
venvermittlung abzuwerben und in das eigene Unternehmen einzugliedern?
    Lawrence starrte auf die Papiere vor sich, die dringend seiner Aufmerksamkeit
bedurft hätten, aber er konnte sich nicht dazu aufraffen, sie auch nur in die Hand
zu nehmen. Irgendwie drifteten seine Gedanken immer wieder ab und beschäftig-
ten sich mit so verrückten Sachen wie Urlaub, Musik und Tanzen.
Statt der computergedruckten Zahlenkolonnen sah er einen schneeweißen
Strand vor sich, die Zahlen verwandelten sich vor seinen Augen in fröhliche Bade-
gäste, die am Ufer herumtollten, und die Buchungszeichen wurden zu Delphinen,
die weit draußen im Meer spielten.
Vielleicht war er überarbeitet?
Doctor Richard Cline, sein Hausarzt und guter Freund, riet ihm schon seit Mo-
naten zu einer Erholungspause, die Lawrence bisher jedoch energisch abgelehnt
hatte. Er war sich sicher gewesen, seinen Betrieb auch nicht für fünf Minuten aus
den Augen lassen zu dürfen.
Seiner Meinung nach gehörte ein Chef hinter seinen Schreibtisch, in den Kon-
ferenzsaal oder in die Produktionshalle, um Präsenz zu zeigen. Flugzeuge benutzte
Lawrence nur, um von einem Termin zum anderen zu hetzen. Mit einem dieser
fliegenden Luftriesen in irgendein Urlaubsparadies zu flüchten, wäre ihm nie in
den Sinn gekommen, ebenso wenig wie aus lauter Jux in ein Tanzlokal zu gehen,
ein schickes Restaurant aufzusuchen oder sich ein Theaterstück anzusehen. Sol-
che Dinge tat er nur, wenn wichtige Geschäftspartner in der Stadt weilten, denen
er bei einem guten Essen, Wein und leichten Mädchen einen lukrativen Abschluss
aus den Rippen leiern wollte.
Das Wort «Vergnügen» existierte nicht in Lawrence’ Vokabular, ebenso wie
das Wort «Liebe», dem er fast noch mehr misstraute. Frauen bedeuteten den Ruin
eines Mannes. Sie waren allesamt geldgierige Kicherhyänen, die die natürliche
Würde eines maskulinen Homo sapiens in zitternde, stammelnde Lächerlichkeit
verwandelten.
Er selbst war bisher ihren Fußangeln und Fallstricken entgangen, obwohl sie
ihm überall auflauerten. Aber Lawrence kannte die Tricks, die sie anwandten, um
ihr Wild zu fangen und zu erlegen, und war ihnen jedes Mal rechtzeitig entronnen.
Es hatte ihn Jahre gekostet, dieses Unternehmen aufzubauen, sich einen Le-
bensstandard zu schaffen, der weit über dem Durchschnitt lag, und Lawrence sah
es beim besten Willen nicht ein, weshalb er dies alles mit einem hüftwackelnden
Wesen teilen sollte, das seinen Verstand mit ihren weibischen Tricks so durchein-
andergebracht
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