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Janusliebe

Janusliebe

Titel: Janusliebe
Autoren: E Mier
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zu
sehen, die mal eben auf einen Plausch hereingekommen war.
«Hier ist seit einer Woche der Teufel los», berichtete Doreen in vertraulichem
Ton. «Die Grippewelle hat ein Viertel des Personals in die Betten geschickt. Und
der gesunde Teil muss jede Menge Überstunden schieben.»
Sie seufzte und fuhr sich mit einer gezierten Bewegung über das perfekt fri-
sierte Haar.
«Es hat sogar Glenda, seine persönliche Sekretärin, umgehauen», plauderte sie
weiter. «Und das will was heißen, Miss Wright, glauben Sie mir. Glenda ist nämlich
    nie krank, nicht mal einen Tag lang oder einen halben!» Doreen beugte sich vor
und raunte Carry zu: «Der wahre Grund für ihre Pferdenatur ist, dass sie heimlich
in den Boss verknallt ist. Sie bildet sich ein, dass es niemand merkt. Aber alle wissen
es. Wie denn auch sonst? Ich meine, sie springt, noch bevor der Chef pfeift. Und
dann ihr verklärter Ausdruck, wenn sie denkt, es würde niemand sehen. Na ja.»
Doreen richtete sich wieder auf. «Auf jeden Fall ist Glenda auch krank, o gro-
ßes Wunder, und der Boss hat niemanden, an dem er seine schlechte Laune aus-
lassen kann. Deshalb hat er eine Personalagentur beauftragt, die uns laufend neue
Leute schickt, aber keiner ist bisher länger als zwei Stunden geblieben.»
Sie wandte den Kopf und sah Carry prüfend an.
«Komisch, Sie sind die Erste, die mit ihm zurechtzukommen scheint.» Doreen
lächelte freundlich. «Die anderen Mädchen sind zum Teil heulend davongestürzt.»
Sie beugte sich etwas vor und senkte die Stimme. «Unser Boss ist ein Tyrann, wis-
sen Sie! Als Sie hier auftauchten, erwartete ich gerade wieder eine Aushilfe. Mister
Carlson war schon total sauer, weil er keine Sekretärin hatte, deshalb war ich heil-
froh, als Sie endlich kamen.»
Jetzt grinste Doreen, als hätte sie beim Poker mit gezinkten Karten den gesam-
ten Pot gewonnen.
«Mister Carlson hat den ganzen Morgen Theater gemacht», kicherte sie fröh-
lich. «Und als Sie sein Büro betraten, hatte ich endlich wieder meine Ruhe. Er ist
jetzt richtig umgänglich. He, das kommt wirklich selten vor.»
Doreen seufzte, ihre Miene wurde trübe.
«Leider hat mich gerade die Personalagentur angerufen, um mir mitzuteilen,
dass sie keine Leute mehr schickt. Na ja, und da ist mir schlagartig klar geworden,
dass Sie unmöglich die sein konnten, für die ich Sie hielt. Schade», fügte Doreen
traurig hinzu.
Carry hatte ihren Ausführungen schweigend gelauscht. In ihrem Kopf herrsch-
te reges Durcheinander, das sich nicht so rasch ordnen ließ.
Eine dämliche Idee von ihr, sich vorzunehmen, mit Lawrence M. Carlson ver-
handeln zu wollen, wo doch jeder in Denver wusste, dass man mit diesem Mann
noch nicht mal gefahrlos übers Wetter plaudern konnte!
Hatte Lawrence M. Carlson sich einmal eine Meinung gebildet, konnte ihn
nicht mal der Papst vom Gegenteil überzeugen, schon gar nicht eine junge Jour-
nalistin, die ihn erst vor wenigen Wochen in einem ihrer Artikel als «Steinbeißer»
betitelt hatte.
«Es tut mir leid, dass Sie meinetwegen Ärger bekommen werden», murmelte
Carry, während sie den Text abspeicherte und Anstalten traf, den Computer her-
unterzufahren.
    Doreen sah sie mit großen Augen an.
«He, Moment!» Sie hielt Carrys Hand fest, bevor diese auf «Programm beenden
– okay» drücken konnte. «Sie wollen mich doch nicht im Stich lassen? Der Boss
reißt mir den Kopf ab, wenn die Briefe nicht spätestens heute Abend auf seinem
Schreibtisch landen. Egal, aus welchen Gründen Sie hier sind, Sie bleiben! Bitte,
ich flehe Sie an, spielen Sie Ihre Rolle zu Ende.»
Carry glaubte, ihren Ohren nicht zu trauen.
«Sie verlangen allen Ernstes, dass ich hier weiterhin die bestellte Aushilfskraft
spiele?»
Doreen rutschte von der Schreibtischkante. Resolut nahm sie Carry die Pros-
pekthülle aus den Händen, in die diese die fertigen Briefe stecken wollte, und legte
sie achtlos neben die Tastatur.
«Ja, genau das möchte ich», erwiderte Doreen ernsthaft. Ihr Blick wurde fle-
hend. «Sehen Sie, dass Sie nicht wirklich von ALIDA kommen, müssen wir ja
nicht unbedingt an die große Glocke hängen.» Sie grinste wie ein Schulmädchen,
das sich gerade erfolgreich vor der Mathearbeit gedrückt hatte. «Die Sache bleibt
hübsch unter uns, und ich erspare mir einen Haufen Ärger.»
«Ich weiß nicht», meinte Carry zweifelnd, und dann logisch: «Wieso soll ich
Ihnen einen Gefallen tun?»
«Weil Sie ein netter Mensch
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