Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Janusliebe

Janusliebe

Titel: Janusliebe
Autoren: E Mier
Vom Netzwerk:
lächelte nervös.
«Werden Sie erwartet?», erkundigte sie sich, während ihre Glitzersteinnägel
erneut nach dem Hörer griffen. »Carlson Pumpen und Filteranlagen ...»
Carry seufzte. Wenn das so weiterging, würde sie morgen noch hier stehen!
Ungeduldig wanderten ihre Blicke über den Tresen, während Beauty telefonierte.
Alles hier war durchsichtig, aber bei weitem nicht so ein billiger Plastikkram
wie auf ihrem Schreibtisch. O nein! Es war glänzendes Acryl, bis ins letzte Detail
durchgestylt von einem Designer, der offensichtlich klare Formen bevorzugte.
Carry vermisste einen Tintenfleck oder Sandwichkrümel auf der Schreibplat-
te, die das Ganze etwas gebrauchsfähiger und vor allem menschlicher hätten er-
scheinen lassen. Aber Frauen mit solchen Fingernägeln kleckerten eben nicht.
Das Gespräch war beendet.
«Caroline Wright, ich möchte ...»
«Sind Sie angemeldet?», unterbrach die Model-Sekretärin sie jetzt deutlich un-
gehalten. Der durchsichtige Nervtöter auf ihrem Tisch summte erneut.
«Ja», log Carry hastig. «Ich komme ...»
«Ich weiß, ALIDA-Service», winkte Beauty ab und riss den Hörer ans Ohr.
«Carlson Pumpen und Filteranlagen ...» Sie deckte die Muschel mit der Hand ab
und zischte in Carrys Richtung: «Mein Gott, beeilen Sie sich. Mister Carlson ist
bereits völlig aus dem Häuschen! Dritte Tür links, viel Glück.»
Carry schluckte.
Ich komme in einer dringenden Familienangelegenheit, hatte sie eigentlich
sagen wollen, aber die angenervte Model-Empfangstippse ließ ihr keine Zeit dazu.
Und wenn Carry es sich recht überlegte, war das auch ganz gut so. Supergut sogar!
Wahrscheinlich würde sie sonst nämlich überhaupt nicht zu dem allmächtigen
Mister Lawrence M. Carlson vordringen.
Dritte Tür links?
Carry machte sich kurzentschlossen auf den Weg. Schließlich hatte sie Daph-
ne versprochen, mit Lawrence M. Carlson zu verhandeln. Die Überlastung seiner
    Empfangsdame begünstigte diesen Plan. Warum sollte sie nicht die Gunst der
Stunde nutzen und diesem Lawrence M. Carlson einen Besuch abstatten?
Dritte Tür links.
Sie unterschied sich nicht von den anderen Türen, die von dem langen Flur ab-
gingen, aber Carry meinte trotzdem Lawrence’ Anwesenheit dahinter zu spüren,
als hinge sein Namensschild daran.
Auf ihr zaghaftes Klopfen befahl eine markant barsche Stimme «Herein!». Mit
zitternden Fingern drehte Carry den Knauf.
Ihre Füße versanken in dem knöcheltiefen Teppich, als sie auf den monumen-
talen Schreibtisch zuging oder eher zuwatete, wie es Carry schien, hinter dem
Lawrence M. Carlson thronte.
«Ihre Sekretärin schickt mich», stotterte sie mit trockenen Lippen.
Der mächtige Firmenboss blickte nicht auf.
«Meine Sekretärin ist krank», bellte er, immer noch ohne einen Blick von sei-
nen Papieren zu heben. «Setzen Sie sich, verdammt noch mal, und beginnen Sie
mit der Arbeit.»
Welche Arbeit?, dachte Carry voller Panik.
Wie gehetzt sah sie sich nach irgendetwas um, das ihr vielleicht einen Hinweis
geben könnte, aber außer dem freien Stuhl vor Carlsons Schreibtischmauer konn-
te sie nichts entdecken.
Also, erst einmal hinsetzen und den Notizblock zücken, den sie immer bei sich
trug. Irgendwann musste dieser Mann ja mal aufsehen, dann würde Carry ihm
sagen, was sie ihm zu sagen hatte, und danach, dessen war sie sich inzwischen
hundertprozentig sicher, in hohem Bogen hinausfliegen. Aber sie hatte dann we-
nigstens ihr Versprechen erfüllt!
«Fertig?» Lawrence M. Carlsons Stimme erinnerte an ein schlecht geöltes
Scharnier.
«Ja», krächzte Carry nervös.
Wie ein Maschinengewehr ratterte Lawrence sein Diktat runter und Carry ste-
nographierte drauflos, bis sie glaubte, ihr Bleistift müsse glühen.
Ihre Kollegen, die, meist mit Diktaphonen oder Rekordern ausgestattet, die
verschiedenen Pressekonferenzen besuchten, belächelten Carrys Stenoblock als
eine Art Relikt, das sie aus Nostalgiegründen von ihrem Vater übernommen hatte.
Aber Carry schätzte ihre schriftlichen Aufzeichnungen sehr. Und sie war perfekt
im Stenographieren.
Ihrer Meinung nach besaß sie nur wirklich, was sie schwarz auf weiß nach
Hause tragen durfte. Es erschien ihr viel zu mühselig, ein Band immer wieder vor-
und zurückspulen zu lassen, bis sie den Text aufgearbeitet hatte. Lieber blätterte
    sie in ihren Notizen, strich und änderte, bis alles saß und sie es ins Reine schreiben
konnte.
Der Erfolg gab ihr Recht. In Carrys Reportagen fanden sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher