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Jan Fabel 06 - Tiefenangst

Titel: Jan Fabel 06 - Tiefenangst
Autoren: Craig Russell
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Wolken anderswo Verheerung anrichten würden. Aber Hamburg war nicht mehr an der Reihe. Vorläufig nicht.
    Dann bemerkte er, dass eines der Teams nicht mehr arbeitete. Die Feuerwehrleute hatten einen Kreis gebildet und betrachteten etwas auf dem gerade leergeräumten Asphalt der Elbstraße. Der Teamführer blickte zu Kreysig und Tramberger hinüber und winkte sie hastig heran.
    Kreysig war klar, dass etwas nicht stimmte.

ERSTER TEIL
    5.
     
    Jan Fabel wachte auf. Nach und nach. Er hatte geträumt. Davon, dass er in dem Haus in Norddeich, in dem er aufgewachsen war, im alten Arbeitszimmer seines Vaters saß und sich mit einem jungen Mann unterhielt, der, wie Fabel wusste, tot war und das ebenfalls wusste. Fabel wollte den Traum hinter sich lassen und ihn vergessen.
    Langsam tauchte er aus den Tiefen seines Schlafes auf und wurde sich des Klanges von Stimmen bewusst. Der Radiowecker. NDR. Eine Debatte. Eine der Stimmen schien er zu kennen.
    Einen Moment lang betrachtete er die Decke, fügte die vom Schlaf zerstreuten Stücke seines Bewusstseins zusammen und versuchte zu erfassen, wovon die Stimme im Radio sprach. Und wem sie gehörte. Fabel begriff, dass er die Männerstimme tatsächlich aus irgendeinem Bereich seiner wachen Welt kannte, doch er war noch zu schläfrig, um sie zu identifizieren. Er rollte sich auf die Seite; Susanne hatte ihm den Rücken zugewandt. Fabel schüttelte ihre Schulter, und sie gab ein Geräusch von sich, das zwischen schläfriger Zufriedenheit und Ärger lag.
    »Zeit aufzustehen«, sagte er.
    Ein weiteres leises, nun schläfrig unzufriedenes Murmeln.
    Er schwenkte die Beine nach draußen und setzte sich auf den Bettrand. Berthold Müller-Voigt. Das war die Stimme des Mannes im Radio. Er war sicher gewesen, dass er sie nicht zum ersten Mal hörte. Müller-Voigt war Umweltsenator in Hamburg und jemand, mit dem er früher zu tun gehabt hatte.
    Fabel runzelte die Stirn und schob sich das blonde Haar aus den Augen. Er schüttelte Susanne erneut: noch eine mürrische Reaktion. Nachdem er den Radiowecker abgeschaltet hatte, stand er auf, streckte sich und schlurfte zur Dusche. Susanne und er lebten seit mehr als zwei Jahren in dieser Wohnung zusammen, doch er musste sich frühmorgens noch immer an ihren Grundriss gewöhnen. Er duschte und rasierte sich und zog sich an. Rollkragenpullover, teure englische Tweedjacke, Chinos, feste Schuhe.
    Gerade hatte er Kaffee gekocht, als Susanne, immer noch im Morgenmantel, in die Küche kam. Ihr dichtes dunkles Haar fiel ihr ins Gesicht und bekundete ihren anhaltenden Widerwillen, sich dem Tag zu stellen.
    »Du wirst dich verspäten«, sagte Fabel. Er meinte damit, dass sie sich verspäten würden. Susanne arbeitete gewöhnlich in ihrem Büro im Institut für Rechtsmedizin in Eppendorf, doch an zwei Tagen in der Woche war sie dem Polizeipräsidium zugeordnet. An solchen Tagen benutzten beide nur ein Auto, und an solchen Tagen regte Fabel sich immer über ihre Saumseligkeit auf. Heute Morgen war er noch nervöser, denn Susanne würde an einem Seminar im Bundeskriminalamt in Wiesbaden teilnehmen, und er hatte ihr angeboten, sie zum Flughafen zu fahren, damit sie den Frühmorgenflug nach Frankfurt erwischte.
    »Ich schaffe es schon.« Sie griff nach der Tasse Kaffee, die er ihr hinhielt, und lehnte sich an den Küchentresen. »Hast du gut geschlafen?«, fragte sie. »Der verflixte Sturm hat mich die halbe Nacht wach gehalten.«
    »Ich glaube, er hat mich geweckt«, log Fabel. Es war nicht der Sturm gewesen, der ihn mitten in der Nacht aus dem Schlaf gerissen hatte, aber sie sprachen nicht mehr über seine Träume. Seine Albträume.
    Susanne schaltete das kleine Fernsehgerät in der Küche an. Es war einer der Kompromisse, die Fabel akzeptiert hatte. Er selbst war kein großer Fernsehfan und hatte nie verstanden, weshalb manche Menschen mehr als ein Gerät in ihrer Wohnung benötigten. Doch eines Tages war er von der Arbeit zurückgekehrt und hatte ihn auf dem Tresen vorgefunden. Einen neuen, glänzenden Eindringling in seine Welt. Ein Fait accompli, einen weiteren Hinweis darauf, dass er seine Wohnung und sein Leben nun mit jemandem teilte.
    »Sieh mal«, sagte Susanne. Im Fernsehen wurde über schwere Überschwemmungen an sämtlichen Elbufern berichtet. Ein Teil des Filmmaterials handelte von den Flutsperren, die am Hafen und am Fischmarkt errichtet worden waren. Der Reporter sprach mit geübter Eindringlichkeit in die Kamera.
    »Ein Glück, dass wir heute
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