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Jan Fabel 04 - Carneval

Titel: Jan Fabel 04 - Carneval
Autoren: Craig Russell
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Jalousien drang und das Zimmer zerteilte. Ihm tat der Kopf weh, und sein Mund fühlte sich geschwollen und pelzig an. Er stützte sich auf die Ellbogen und stellte fest, dass er allein in einem breiten, niedrigen Bett lag. Der Duft von Kaffee erfüllte die Luft, aber es war ein üppigeres, dunkleres Aroma als das ihm vertraute. Das Poster an der gegenüberliegenden Wand zeigte eine Landschaft wie von einem anderen Planeten: schmale Felstürme, gekrönt von kegelförmigen Steinen. Eine unter- oder aufgehende Sonne verlieh den Türmen eine rotgoldene Farbe, und in manche waren Fenster eingemeißelt, als ob Elfen oder Außerirdische in ihnen wohnten.
    »Kappadokien!«, erläuterte Tansu, die aus der Küche hereinkam. Sie trug einen seidenen Morgenrock, der sich an ihre Rundungen schmiegte. »Die Feen-Kamine. Bist du je in der Türkei gewesen?« Sie setzte sich auf den Bettrand und reichte ihm eine Tasse Kaffee.
    »Danke«, sagte Fabel. »Nein … noch nie. Hör zu, Tansu …«
    Sie lächelte und legte die Finger an die Lippen. »Trink deinen Kaffee. Dann fühlst du dich besser. Kater?«
    »Einen kleinen. Ich bin es nicht gewohnt, so viel zu schlucken.«
    »Das ist das Gute am Karneval – man kann sich ein bisschen gehen lassen.« Sie stand energisch auf. »Ich dusche erst einmal. Wenn du dir Frühstück machen möchtest …«
    »Nicht nötig«, erwiderte Fabel. »Ich muss bald aufbrechen, um noch etwas für meine Tochter zu kaufen. Ein Souvenir aus Köln.«
    »Bist du verheiratet?«, fragte Tansu in einem Tonfall, der erkennen ließ, dass die Antwort ihr keine Probleme bereiten würde.
    »Geschieden.«
    »Du musst Glück haben, wenn du ein geöffnetes Geschäft finden willst. Vielleicht gibt es ein paar auf der Hohen Straße.«
    Das helle Tageslicht und die kalte Luft verstärkten das Pochen in Fabels Schädel noch ein wenig. Ins Hotel zurückgekehrt, stellte er fest, dass die Angestellten an der Rezeption ausnahmslos hellrote Perücken und Pappnasen trugen. Er gestattete sich den verdrießlichen Gedanken, dass diese Leute einfach kein Ende finden konnten. Es wurde Zeit, wieder nach Hause zu fahren. Zurück nach Hamburg. Er wollte sich mit Susanne aussprechen und alles andere hinter sich lassen. Auch Tansu. Doch vorher musste er Maria finden und sie dazu bringen, mit ihm heimzukehren.
    Fabel duschte und schlüpfte in einen sauberen Rollkragenpullover aus Kaschmirwolle und in eine Cordhose. Sein Sportjackett roch nach Zigarettenrauch, und er hängte es vor den Kleiderschrank, um es auslüften zu lassen. Dann zog er seinen Mantel an und versuchte, Susanne in ihrem Büro zu erreichen. Er drang jedoch nur zu ihrem Anrufbeantworter vor und beschloss, keine Nachricht zu hinterlassen. Sein nächstes Telefonat galt Scholz, der Fabel vorschlug, sich mit ihm im Präsidium zu treffen und in der Kantine Mittag zu essen. Da es schwierig sein würde, ein Taxi zu finden, bot Scholz an, ihn von einem Streifenwagen abholen zu lassen.
    Im Präsidium schickte man Fabel zum Fahrzeugpark, wo gerade ein riesiger Wagen geschmückt wurde. Scholz war in eine erregte Debatte mit einem großen, schlanken Beamten in Uniform verwickelt. Zumindest war Scholz erregt; der Uniformierte hingegen lehnte sich an den Karnevalswagen und nickte müde.
    »Verfluchter Karneval«, knurrte Scholz und begrüßte Fabel. »Hast du gestern Nacht Spaß gehabt?«
    Fabel musterte Bennis Miene und versuchte, eine Spur von Sarkasmus zu entdecken. Es gelang ihm nicht, und er war dankbar dafür, dass Scholz durch sein früheres Verschwinden nichts von Fabels Abenteuer mit Tansu bemerkt hatte.
    »Ja, und ob. Ich glaube, wir alle hatten uns die Feier verdient. Bist du bereit, Andrea Sandow noch einmal zu vernehmen?«
    »Lass uns vorher schnell Mittag essen.«
    Auf dem Weg zum Lift drehte Fabel sich um und betrachtete den Karnevalswagen. »Er sieht aus wie eine mittelalterliche Kriegsmaschine. Darunter könnte man eine Armee verstecken. Vielleicht hättet ihr das Trojanische Pferd zu eurem Thema machen sollen.«
    Scholz’ gezwungenes Lächeln zeigte, dass der Polizei-Karnevalswagen als Gegenstand von Scherzen ungeeignet war. »Wir kriegen immer noch nichts aus Sandow heraus. Mach dich auf einen fruchtlosen Nachmittag gefasst. Ich habe es übrigens durchgesetzt, dass später ein Gehirndoktor vorbeikommt, um ein psychiatrisches Gutachten zu erstellen.«
    In der Kantine setzten sie sich ans Fenster. Fabel hatte sich einen Kaffee und ein Schinkenbrötchen bestellt. Es fiel ihm
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