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James Bond 14 - Octopussy (German Edition)

James Bond 14 - Octopussy (German Edition)

Titel: James Bond 14 - Octopussy (German Edition)
Autoren: Ian Fleming
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Kerl namens ›Abzug‹ wird mit hoher Wahrscheinlichkeit aus einem der dunklen Fenster schießen. Sehen Sie direkt an der Kreuzung einen Block von vier Fenstern? Die sind gestern und heute dunkel geblieben. Von dort hat man das beste Schussfeld, etwa dreihundert Meter klare Sicht. Ich kann Ihnen die genauen Zahlen geben, wenn Sie wollen. Ansonsten müssen Sie sich um nicht viel sorgen. Diese Straße ist nachts mehr oder weniger verlassen – abgesehen von einer motorisierten Streife alle halbe Stunde. Es handelt sich um einen gepanzerten Wagen mit ein paar Motorrädern als Eskorte. Gestern Abend, und ich denke, das ist typisch, sind zwischen achtzehn und neunzehn Uhr ein paar Leute aus dieser Tür gekommen. Typische Beamte. Davor nichts Außergewöhnliches – der übliche Strom von Menschen, die ein betriebsames Regierungsgebäude betreten oder verlassen. Abgesehen von ausgerechnet einem kompletten Damenorchester. Haben ein riesiges Spektakel in einer Konzerthalle gegeben, die sie irgendwo dort drinnen haben. Ein Teil des Gebäudes gehört dem Kulturministerium. Ansonsten nichts – auf jeden Fall keine uns bekannten KGB-Leute, keine Anzeichen für Vorbereitungen auf eine Angelegenheit wie diese. Aber das war vorauszusehen. Die Gegenseite ist äußerst vorsichtig. Sehen Sie sich einfach gut um. Denken Sie daran, dass es momentan dunkler ist, als es morgen gegen achtzehn Uhr sein wird. Aber Sie können sich auf jeden Fall ein allgemeines Bild machen.«
    Bond machte sich ein allgemeines Bild, und dachte noch lange darüber nach, während der andere Mann schon schlief und leise schnarchte – das typische Schnarchen eines Winchesters, fand Bond.
    Ja, er hatte ein Bild vor Augen – eine aufblitzende Bewegung zwischen dem Schutt auf der anderen Seite des gleißenden Lichtstroms, eine Pause, dann der wilde Zickzacksprint eines Mannes im vollen Schein der Straßenlaternen, das Rattern von Maschinengewehren, und entweder ein lebloser Körper mitten auf der Straße oder das Geräusch seiner fortgesetzten Flucht durch das Gestrüpp und den Schutt des Westlichen Sektors – sofortiger Tod oder Rettung. Was für ein Spießrutenlauf! Wie viel Zeit würde Bond haben, um den russischen Scharfschützen in einem der dunklen Fenster auszumachen? Um ihn zu töten? Fünf Sekunden? Zehn? Als an den Rändern der Vorhänge das bronzefarbene Licht der Dämmerung erschien, kapitulierte Bond vor seinen rasenden Gedanken. Sie hatten gewonnen. Leise ging er ins Badezimmer und betrachtete die Reihe aus Arzneifläschchen, die der aufmerksame Secret Service bereitgestellt hatte, um seinen Henker in Form zu halten. Er wählte eine Tuinal, schluckte zwei der blau-roten Pillen mit einem Glas Wasser hinunter und legte sich wieder hin. Dann schlief er wie ein Stein.
    Mittags erwachte er wieder. Die Wohnung war leer. Bond zog die Vorhänge auf, um den grauen preußischen Tag hereinzulassen. Mit einigem Abstand zum Fenster blickte er auf die Trostlosigkeit Berlins und lauschte dem Kreischen der Straßenbahnen und der U-Bahn, die die große Kurve in den Bahnhof Zoo nahm. Widerwillig warf er einen kurzen Blick auf das, was er schon am Abend zuvor betrachtet hatte, bemerkte, dass die Sträucher zwischen den Bombentrümmern denen in London ziemlich ähnlich waren – Weidenröschen, Sauerampfer und Farne – und ging dann in die Küche. Ein Zettel war an einen Laib Brot gelehnt: »Mein Freund [ein Geheimdiensteuphemismus, der in diesem Zusammenhang für Senders Vorgesetzten stand] hat gesagt, dass du ruhig rausgehen kannst. Aber sei gegen siebzehn Uhr zurück. Deine Sachen [Code für Bonds Gewehr] sind angekommen und jemand wird sie heute Nachmittag vorbeibringen. P. Sender.«
    Bond stellte den Gaskocher an und verbrannte die Nachricht, wobei er verächtlich über sein Gewerbe lächelte. Dann machte er sich Rührei mit Speck, schaufelte dieses auf einen gebutterten Toast und spülte das Ganze mit schwarzem Kaffee hinunter, in den er einen guten Schluck Whisky gegeben hatte. Dann badete er, rasierte sich und zog die trostlose anonyme mitteleuropäische Kleidung an, die er sich für diesen Zweck gekauft hatte. Er warf einen Blick auf sein ungemachtes Bett, entschied, dass es ihm egal war, nahm den Aufzug und verließ das Gebäude.
    James Bond hatte Berlin schon immer für eine deprimierende, feindselig wirkende Stadt gehalten, die man auf der westlichen Seite mit einer brüchigen Fassade aus protzigem Plunder hatte aufhübschen wollen. Das Ganze erinnerte
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