Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl

Titel: Jahrestage 3 - aus dem Leben von Gesine Cresspahl
Autoren: Uwe Johnson
Vom Netzwerk:
Kronen ist bemerkenswert in der Nähe der tatsächlichen Summe, beträgt nach meinen Rechnungen jedoch nicht genau 15 Prozent des Netto-Nationaleinkommens, sondern etwas mehr (deR 193- CD 48).
    Das Rubelguthaben der Č. S. S. R. bei der Sowjetunion, von der N. Y. T. in Höhe von 10 Milliarden Kronen angenommen, dürfte tatsächlich den nominellen Gegenwert von $ 16 000 000 000.00 inzwischen überstiegen haben. Jedoch ist es nicht entstanden allein aus dem Mangel brauchbarer U. d. S. S. R.-Produkte, sondern auch in der Hoffnung, Teile dieses Betrages eines Tages der Verfügungsgewalt des Comecon entziehen zu können (deR 23- CF -1238).
    Die Reformpläne sind ausnehmend allgemein und verständlich dargestellt. Davon sind hier im Detail bekannt die Delegation der Verantwortung an die Produktionsbetriebe selbst und das Schema für die abgestufte Entziehung der Subventionen. Wünschenswert wären genauere Informationen über den Abbau der Steuerbegünstigungen für mit Verlust arbeitende Betriebe (dieselbe Quelle wie die vorige ist nicht geeignet).
    Wenn Funktionäre der Regierung in der Č. S. S. R. einem Organ wie der New York Times nicht nur die personalpolitischen Kämpfe im Hintergrund der Reformdiskussion mitteilen, sondern obendrein die Rückkehr des Landes in den Internationalen Währungsfonds und die Internationale Bank für Wiederaufbau und Entwicklung als möglich andeuten, so könnten sie nicht nur das bisher hier angenommene Ziel verfolgen, nämlich die Herstellung von Kreditgläubigkeit, sondern auch das andere, die Anhänger der Reformen im eigenen Lande zu exponieren. Wird darüber ausführlicher Bericht gewünscht?
    Verhandlungen über Anleihen von kapitalistischen Ländern werden hier zum ersten Mal im Druck erwähnt. Der Form halber versichere ich nochmals, daß die Indiskretion nicht von diesem Büro ausgeht. Jedoch dürfte das inoffizielle Eingeständnis nicht nur den Markt beleben sollen (vgl. vorigen Absatz).
    Beste Grüße,
    GC .«
    Mein gutes Englisch, du Schriftsteller.
    Deins war es nicht.
    Aber nicht solch Krüppeldeutsch.
    Dein Amerikanisch war so sehr business wie es ging, Gesine.
    Ich war bei Verstand.
    Aber müde, und nicht bei dir.
    Einen Absatz innerhalb des Berichts aus Prag hat der Arbeitgeber zusätzlich mit genüßlichen Ausrufszeichen versehen:
    »Der ökonomische Gesundheitszustand der Č. S. S. R. gleicht dem eines verletzten Mannes, der so vollgepumpt ist mit Morphium, daß er wahrscheinlich nicht nur dauerhaft abgestumpft bleibt, sondern sogar unfähig ist, dem Arzt zu sagen, wo es weh tut.«
    De Rosny ist hier zu erkennen, an seiner Anstreichung: lange hat er sich hüten müssen vor dem genauen Blick nach unten; hier ist ihm ein Augenblick Erholung geschenkt worden. Der Mann voll Morphium wird der Arbeitskraft Cp. womöglich ein neues Aktenzeichen einbringen.
    Danach, an den senkrecht gegen die Sonne gestellten Jalousien, versinkt der Tag bis in den Abend, bis zur langsamen Rückkehr an den Riverside Drive, zu uns, wo wir wohnen.
    – So soll dein Mecklenburg sein?! fragt Marie. Sie ist eigens aufgestanden von ihren Schularbeiten, stellt sich hinter den Stuhl der Mutter, bringt sogar ihre Wange in die Nähe, um wenigstens einen parallelen Blick zu haben.
    Es war nichts. Über dem Fluß treibt löchriger Nebel. Eine Lücke in dem immer noch erstaunlichen Laubgrün scheint einen verhangenen Binnensee zu öffnen, und hinter ihm sieht die Erinnerung wieder und gern bläulichen Kiefernwald auf den Pallisaden des anderen Ufers, die durch Baumkulissen wieder und wieder durchschaubare und verstellte Gegend von damals.
    – Na: sagt Marie, beruhigt, und beruhigend, wie zu einem scheuenden Pferd. Wo käme sie hin, wenn ihr New York samt Fluß und Ufer etwas anderes wäre, oder nur vergleichbar! Ihr ist es unvergleichlich. Sie hat noch Zeit, hier zu leben.
    24. April, 1968 Mittwoch
    In der Sozialistischen Tschechoslowakischen Republik sind drei Beamte der Justiz entlassen worden, und nicht etwa Gerichtsdiener oder Hausmeister, sondern drei stellvertretende Generalstaatsanwälte, und einer von ihnen war das Oberhaupt der Anklage in militärischen Strafsachen überhaupt. Die Sprecher der neuen Regierung erklären die Verstoßungen nicht. Als ob jene Hüter des Gesetzes in älteren Zeiten schuldig geworden seien an Verbrechen.
    Die sowjetische Besatzung lag eben eine Woche in Jerichow, und am zweiten Montag im Juli nach dem Krieg war für die eingesessenen Bürger einer schon erwiesen als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher