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Jagt das rote Geister-Auto!

Jagt das rote Geister-Auto!

Titel: Jagt das rote Geister-Auto!
Autoren: Stefan Wolf
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noch sein Stahlroß
war.
    Weit hinten aber höhnten rote
Rücklichter. Der Wagen preschte weiter. Die Nacht verschluckte ihn. Er schien
jetzt fast dunkelrot lackiert zu sein. So wirkte er, je weiter er sich
entfernte. Doch Karl wußte es anders.
    Als das Ungetüm an ihm vorbeijagte und
seinen Drahtesel unter die Räder nahm, hatte er gesehen: Es war ein knallroter
Wagen.
    Das Geisterauto!
    Wahnsinn! Karl stützte die Hände auf.
Seine karierte Jacke schien sich plötzlich in Eis zu verwandeln. Er fröstelte.
    Der... wollte... mich... überfahren.
Ich... bin der 20. Fall. Um Haaresbreite... und das linke Bein wäre ab.
    Karl schloß die Augen. Ihm wurde übel
vor Schreck.
     
    *
     
    „Trotzdem ist es seltsam.“
    Tim hielt seine Zahnbürste gegen die
Neonleuchte und prüfte, ob er die Borsten gut gesäubert hatte.
    „Was ist an einer Zahnbürste seltsam?“
fragte Klößchen.
    Sie standen im Waschsaal des
Hauptbaues, wo bekanntlich die Internatsschüler der Unter- und Mittelstufe
duschen und Zähne putzen oder Hände, Ohren und Füße waschen.
    Es war für Heimschüler-Verhältnisse
unglaublich spät.
    Dr. Ritzpringlein — der heutige EvD — hatte
aber keinen Zirkus gemacht, sondern nur mit schiefem Grinsen gemurmelt: „Wenn
ihr den Kommissar Glockner nicht hättet — rausgefeuert hätten wir euch. Längst.“
    „Ich rede nicht von meiner Zahnbürste“,
sagte Tim, „sondern von Jan Zeckels seltsamen Verhalten. Er hat seinen Überfall
so geschildert, wie es ihm ohrenkundig geworden war — von mir.“
    „Na und?“
    Klößchen drückte seinen Waschlappen aus
und hängte ihn an den Haken. Dann zog sich das dicke TKKG-Mitglied mit seinem
30-cm-Kamm einen Scheitel — so gerade wie die kürzeste Strecke zwischen zwei
Punkten.
    „Gehst du noch aus?“ fragte Tim.

    „Ich erprobe, ob mir der Scheitel auch
links steht.“
    „Du hast ihn aber rechts gezogen.“
    „Ach so. Na ja, das Spiegelbild. Man
sieht alles seitenverkehrt. Nur mit dem Rücken zum Spiegel ist rechts wieder
rechts.“
    „Zeckel schilderte den Überfall“, sagte
Tim nachdenklich, „als wäre er nicht dabei gewesen.“
    „Hähähäh!“
    Tim schlüpfte in seine Pyjamajacke,
ließ aber die Knöpfe offen. „Ich meine es ernst.“
    „Niemand gesteht einen Überfall, den er
nicht begangen hat.“
    „Normalerweise nicht. Es sei denn, er
hätte einen Grund.“
    „Welchen?“
    „Wenn ich das wüßte, brauchte ich nicht
zu überlegen.“
    „Hast ja noch die halbe Nacht Zeit
dazu.“
    „Was hältst du davon: wir beide bleiben
wach und denken nach.“
    „Um Himmels willen!“ entsetzte sich
Klößchen. „Mir fallen jetzt schon sämtliche Hühneraugen zu. Außerdem darf ich
meinen Alptraum nicht verpassen.“
    Auch Tim entschloß sich, das Nachdenken
auf morgen zu vertagen; und die beiden trotteten durch den langen Flur zu ihrer
Bude, dem ADLERNEST.

5. Der Feind aller Fußgänger
     
    Er hechelte wie ein Jagdhund, der einen
Hasen verfolgt, aber nicht kriegt und dann völlig außer Puste ist.
    Doch Adolf Hussler war kein Jagdhund,
sondern ein Homo sapiens (vernunftbegabter Mensch, heutiger Mensch). Jedenfalls hielt er sich dafür.
    Seine Augen funkelten. Er starrte in
den Rückspiegel. Weit hinten auf der Lindenhof-Allee lag das zermatschte
Fahrrad. Und der Bengel — so ein langer, dünner mit Nickelbrille — saß im
Straßengraben.
    Hoffentlich! dachte Adolf, ist er
verletzt. Hach, ich liebe es, wenn sie im Krankenhaus landen. Knochenbrüche,
Quetschungen, blutende Wunden, Prellungen — sie verdienen nichts anderes, diese
verdammten Verkehrsteilnehmer. Jeder Fußgänger, jeder Jogger, Rad- und
Mopedfahrer ist ein Feind. Ein Erzfeind von uns Automobilisten. Uns gehört die
Straße. Aber die Feinde sind überall. Sie hassen uns. Weil wir schneller sind
und prächtiger. Deshalb müssen sie weg. Ausrotten muß ich sie. Das eben war Nr.
20. Hoffentlich hat er seine Zehen eingebüßt. Dann wird er endlich begreifen,
daß man mit uns nicht gut Kirschen ißt.
    Bei dem Gedanken an Kirschen lief ihm
das Wasser im Mund zusammen.
    Unwillkürlich spähte er durch die
neblige Wand zu den Gärten. Kirschenpflücken! Das wäre doch was! Oder waren die
Verfolger schon hinter ihm?
    Nein, dachte er, die Kirschen brauchen
noch eine Weile zum Reifen. Wir haben ja erst November. Oder haben wir August?
Oder Januar? Egal! Die besten Kirschen sind erst Weihnachten reif.
    Er stieß ein teuflisches Lachen aus,
schaltete einen Gang zurück und mäßigte das
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